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Orgel: Halle (Saale) / Diemitz – St. Johannes der Täufer

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Gebäude oder Kirche

St. Johannes der Täufer

Konfession

Evangelisch

Ort

Halle (Saale)/Diemitz

Postleitzahl

06116

Bundesland / Kanton

Sachsen-Anhalt

Land

Deutschland

Bildergalerie + Videos


 
Rühlmann-Orgel Op.458


 
R.Adam-Orgel Op.16


 
Digital-Orgel Vicount Classic 4500

Glocken



Bildrechte: Datenschutz

Orgelgeschichte

1715/16 Aufstellung einer ersten Orgel, es handelte sich um ein Positiv mit gezogenen Bälgen und 6 Registern – gebaut von Christian Joachim/Halle.
1758/59 Generalreparatur der Orgel, „Vergrößerung“ eines Registers.
Um 1780 Reparatur durch Johann Gottfried Krug/Merseburg.
1791 Ankauf einer Orgel von Johann Gottlieb Kurtze/Halle – mechanische Schleifladenorgel I/8.
1833 Reparatur des Werkes durch Friedrich Wilhelm Wäldner/Halle.
1886/87 Untersuchung der Orgel durch Orgelbauer Heerwagen/Klosterhäseler, der das alte Werk für 24 Mark ankaufte.
1887 Fertigstellung einer neuen Orgel II/P durch Heerwagen in der neuen Kirche.
1917 Abgabe der Prospektpfeifen zu Rüstungszwecken.
1936 Neubau einer pneumatischen Kegelladenorgel II/14 + 2 Tr. durch W.Rühlmann/Zörbig als Opus 458.
Um 1960 Umbau und leichte Umdisponierung – neue Registerschalter für den Spieltisch.
Um 1970 leichte Umdisponierung – einzelne Schalter weisen Reste von Überklebungen aus.
1997 Auslagerung der Orgel wegen der Sanierung der Kirche, dabei wurde der Prospekt mit Plexiglas verblendet, der Spieltisch ist nur noch fragmentarisch vorhanden, das Gehäuse dient heute als Abstellkammer.
Um 2000 Aufstellung einer Digitalorgel Viscount Classic 4500 im nördlichen Seitenschiff vorne am Altar.
2020 genügte dieses Instrument den musikalischen Ansprüchen.

Derzeitige Orgel

1967 Neubau einer mechanischen Schleifladenorgel I/6 durch Orgelbau R. Adam/Halle als Opus 16 für den Gemeindesaal der Bartholomäusgemeinde Halle (Saale).
Informationen zum Orgelbauer HIER (KLICK)
2019 Abbau der Orgel wegen Sanierung des Saales, Einlagerung bei Orgelbau Zimmermann in Halle.
2021 Aufstellung in Diemitz im nördlichen Seitenschiff unter der Empore – I/5, das Register Quinte 2 2/3′ wurde bisher nicht eingebaut.

Die Orgeln in der Kirche St. Johannes der Täufer in Diemitz blicken auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. Klangvolle Namen und renommierte Orgelbauer waren in dieser Kirche tätig – Wäldner, Heerwagen und Rühlmann zu guter Letzt. Die Rühlmann-Orgel auf der Empore ist nun leider Geschichte – es steht in den Sternen, ob ihr Schicksal – ausgelagert und vergessen – sich jemals ändern wird. Das Werk war mit 14 + 2 Stimmen eine veritable Orgel mit sicherlich kraftvoll erhabenem Klang hinter einem Prospekt mit geschmackvoll abgerundeten Pfeifenfeldern. Leider ist das Gehäuse heute als Abstellkammer genutzt, die einzelnen Prospektöffnungen sind durch Plexiglas verblendet, was u.a. dazu führt, dass das Rollverdeck des ehem. Spieltisches nicht mehr vollständig geöffnet werden kann. Das Werk wurde mehrfach umgestaltet, die vorhandenen Registerschalter am Spieltischfragment sind nicht die für Rühlmann Typischen. Die Zörbiger Firma baute, u.a. in Wörmlitz in der Lutherkirche und in Beuchlitz stets Registerschalter mit runden Porzellanschildern mit Goldrand, auf denen die Registernamen aufgezeichnet waren. Die Registerschalter hier sind jene schlicht-praktischen Exemplare, wie sie ab den 60er Jahren u.a. von Kühn und Schuke verwendet wurden, schlichte Plasteschalter mit dem Registernamen – hier in farbiger Schrift. Überklebungen an drei Schaltern weisen auf eine spätere Umdisponierung hin. Leider ist auch der Spieltisch nur noch als Fragment ohne Pedal und auch ohne Innenleben erhalten. Die 458. Rühlmann-Orgel ist also für voraussichtlich immer verstummt.
Unter der Empore steht nun seit 2021 die 16. Orgel der Firma Reinhard Adam Orgelbau aus Halle. Eine Orgel, die einst für den Gemeindesaal der Bartholomäuskirche erbaut wurde. Das Instrument passt sich mit seinem dunklen Holzgehäuse und den hellen Holz-Klaviaturen sehr gut in den Raum, vor allem in den Standort unter der ebenfalls dunkel lasierten Holzempore, ein. Das helle Gitterwerk und die geheimnisvoll glänzenden Prospektpfeifen wirken unter der Empore als äußerst dezenter, aber gut sichtbarer Akzent. Der Prospekt zeigt in harfenförmiger Aufstellung Pfeifen des Principal 2′. An der Seite hinten sind einige Pfeifen des Subbaß 16′ zu sehen, der hinten um die Orgel herum aufgestellt ist. Der Motor befindet sich auf der linken Seite, der Balg im Untergehäuse. Die Registerzüge befinden sich als beschriftete, horizontal laufende Hebel beiderseits der Manualklaviatur. Die Untertasten des Manuales sind aus hellem Holz, die Obertasten schwarz gefertigt. Im Inneren befindet sich eine Windlade für alle Stimmen, der eben benannte Subbaß steht ganz hinten um die Orgel herum und dient damit gleichsam als Rückwand. Die Disposition zeigt sich typisch für solche kleinen Orgeln: ein warmes, etwas rauchig ansprechendes, aber sehr tragendes Gedackt 8′ bildet das Fundament. Eine spielfreudig helle, etwas spuckende Rohrflöte vertritt die 4′-Lage. Eine herbe Quinte 2 2/3′ würde den Klang einfärben, ist aber heute leider nicht mehr vorhanden. Sie wäre notwendig, um mit dem Principal 2′, der sehr hell und glitzernd, aber nicht übertrieben spitz intoniert ist, eine Art kleine Mixtur bilden zu können. Eine dreifache Zimbel in hoher Lage dient als silbrige Klangkrone, wirkt durch überaus gut gewählte Repetitionspunkte nicht scharf oder schneidend-aufdringlich. Der Subbaß 16′ grundiert den Klang überaus gut und reichhaltig, die Pedalkoppel ist aber oft notwendig. Trotz der geringen Stimmenzahl füllt das Werk die kleine Kirche gut aus, wirkt nicht schrill oder spitz, dafür aber kraftvoll und farbig-charakteristisch. Dabei wirkt die Orgel unter der Nordempore äußerst dezent. Die Orgel weist ein sehr direktes Spielgefühl auf, das Pedal ist nach außen hin deutlich geschweift. Zu beachten sind die kurzen Untertasten und die breiten Abstände zwischen den ebenfalls sehr kurzen Obertasten, was das Spielgefühl anfangs gewöhnungsbedürftig werden lässt – allerdings ist der „Grip“ (also der Griff auf den Tasten) äußerst angenehm und sehr gut. Die Orgel überzeugt mit farbig transparent-durchsichtigen, aber nicht kraft- oder fundamentlosen Klang sowie mit einem ausgezeichneten Spielgefühl und ist damit eine große Bereicherung für die hiesige Orgellandschaft – auch deswegen, da hier eine Orgel der halleschen Orgelbaulandschaft erhalten und wieder zum Lobe Gottes zugänglich gemacht wurde. Dass die Diemitzer Kirche durch die Digitalorgel, auf deren Klang der Autor hier nicht weiter eingehen will, die einzige Kirche der Stadt mit (rein theoretisch) drei Orgelwerken ist, sei nur am Rande erwähnt. Auch wenn zu wünschen wäre, dass die Rühlmann-Orgel wieder auferweckt wird, ist es gut und recht, dass ein anderer Teil der halleschen Orgellandschaft hier in der kleinen, wunderbaren Kirche mit ihrer hallarmen, aber sehr klaren Akustik erhalten ist.

Disposition

Disposition Adam-Orgel Opus 16 (originale Schreibweise)

Manual C – f“‘

G 8 (durchg. Holz, gedeckt) 

R 4 (C-f“  Metall, Rohrflöte, ab f#“ offen, Metall konisch) 

Q 2 2/3′ (heute nicht vorhanden)

P 2 (C-g#° Metall, Prospekt, a° innen, b°-f“ Prospekt, ab f#“ innen, Metall offen) 

Z 1/2 (3fach, rep. H, b°, a‘, g#“, c“‘, durchg. Metall offen)

Pedal C – f‘

Sub 16 (durchg. Holz, gedeckt) 

 

Disposition Rühlmann Opus 458 von 1936

Manual I – Hauptwerk C – g“‘

Gedackt 16′

Principal 8′

Rohrflöte 8’*

Quintade 8′

Oktave 4′

Mixtur 3 f.

 

Manual II – Oberwerk C – g“‘

Horn-principal 8’*

Gedackt 8’*

Salicional 8′

Schwiegel 4′

Nachthorn 2′

Sifflöte 1′

Pedal C – f‘

Subbaß 16′

Gedackt 16′ (Tr.I)

Cello 8′

Oktave 4′ (Tr.I) 

 

*diese Registerschalter weisen Spuren späterer Überklebungen auf

 

Disposition Viscount Classic 4500 

Manual I – Hauptwerk C – c““

Principal 8′

Gedackt 8′

Octave 4′

Rohr-flute 4′

Super Octave 2′

Quinte 1 1/3′

Mixture III

Regal 16′

Trumpet 8′

Manual II – Schwellwerk C – c““

Bourdon 8′

Viola 8′

Octave 4′

Flute 4′

Nazard 2 2/3′

Flautino 2′

Tierce 1 3/5′

Cymbal III

Celeste II

Oboe 8′

Pedal C – d‘

Subbass 16′

Principal 8′

Bourdon 8′

Octave 4′

Fagotto 16′

Regal 4′

 

Spielhilfen

Rühlmann-Orgel Op.458
Als Registerschalter ganz rechts: Vacat
Als Registerschalter ganz links, rot beschriftet, von links: II/Ped., I/Ped., II/I
Als Kollektivdrücker in der Vorsatzleiste unter Manual I, von links: Auslöser, Piano, Tutti

 

Adam-Orgel Op.16
Als Fußtritt zum Einhaken mittig über dem Pedal: Pedalkoppel (unbeschriftet)

 

Digital-Orgel Vicount Classic 4500
Als Registerschalter: Sustain, I/P, II/P, A.P, Voicing Variation A/B, Tremulant (I), Sustain, II/I, Tremulant (II), Sustain
Als Drehschalter ganz rechts: Transposer
Als Drehregler ganz links neben Manual I: Pitch, MAN. I VOLUME, PEDAL VOLUME, DIGITAL REVERB
Über dem Pedal mittig: Schwelltritt

Gebäude oder Kirchengeschichte

1370 erste Erwähnung von Klosterhof und Kirche in Diemitz
Um 1540 wurde Diemitz als Filiale der St. Ulrichs-Kirche evangelisch.
1636 Verwüstung der Kirche durch den 30-jährigen Krieg, nur der Altar blieb bestehen – Kanzel und Emporen wurden zerstört.
1647 Wiederherstellung der Kirche – auch das Dorf wurde wieder bewohnt.
1695/96 Beginn eines neuen Kirchbaus – die Kirche wird verlängert und repariert, Emporen und Schülerchor werden eingebaut.
1713/14 wurde die Kirche wiederum erweitert und repariert.
1881 wurde in Diemitz eine eigene Pfarrstelle eingerichtet.
1886/87 großer Umbau der Kirche. Das nördliche Seitenschiff wurde angebaut, die Kirche wurde vergrößert und ein schiefergedeckter Dachreiter wurde aufgesetzt bzw. die Innenausstattung komplett erneuert.
1917 Abgabe dreier Glocken zu Rüstungszwecken.
1928 Guss von drei neuen Glocken aus Eisenhartguss durch Schilling&Lattermann, Nominalfolge a‘- cis“- e“.
Nach 1945 wurde die Kirche genutzt, aber der Zustand verschlechterte sich.
1997 Beginn einer umfassenden Sanierung, begonnen wurde mit dem Dachstuhl und dem Dach.
1998 wurde ein neues Altargemälde durch den Halleschen Maler Bernd Baumgart geschaffen.
2000 wurde die Sanierung der Kirche abgeschlossen.

Fährt man von Halle nach Reideburg, so entdeckt man bei der Fahrt auf der Fritz-Hoffmann-Straße aus dem Stadtgebiet hinaus geradewegs durch die Frontscheibe des jeweiligen Mobils oder über den Lenker des Fahrrades hinweg die kleine Kirche zu Diemitz, die dem Täufer Jesu – Johannes – geweiht ist. Das kleine Gotteshaus liegt auf dem Kirchhof malerisch umgeben von hohen Bäumen, die sich zwischen die Friedhofsmauer und die Kirche schmiegen. Auf der Nordseite führt die Straße nach Reideburg entlang. Die Kirche selbst ist ein im Grundsatz einschiffiger Saalbau mit dreiseitigem Ostabschluss, an den auf der nördlichen Seite ein rechteckiges Seitenschiff angefügt wurde, sodass die Kirche heute asymmetrisch-zweischiffig ist. Auf der nordwestlichen Ecke ist hinter dem neuen Kirchenschiff ein runder Treppenturm mit kegelförmigem Dach errichtet worden, über den man die Emporen betreten kann.
Auf der Nordseite des Chores ist eine polygonale Sakristei angefügt. Die Wände sind durchweg hell verputzt, im Westen befindet sich ein achteckiger Dachreiter mit spitzem Helm, durchweg schiefergedeckt bzw. verblendet, mit spitzbogigen Schallöffnungen versehen. Die Fenster sind als sandsteingelaibte Segmentbogenfenster am Kirchenschiff und Chor ausgeführt. Am Nordschiff finden sich zwei Reihen Fenster, die Obere wird aus rundbogigen Biforien, die Untere aus Rechteckfenstern gebildet, die jeweils von Laibungen aus Sandstein umgeben sind.
Die Fenster sind dabei alle mit Glassteinen mit deutlich sichtbaren Mörtelfugen ausgefüllt, was das Licht im Inneren etwas diffus aber warm wirken lässt. An der Ostfront sind die Glassteine in der Form eines Kreuzes angeordnet. Das Innere der Kirche wirkt gedrungen, aber nicht eng oder klein – eher geborgen und gemütlich. Eine dunkle Holzbalkendecke überspannt den ganzen Raum, dessen Wände gefärbt sind. Im Zentrum des Blickes im Altarraum befindet sich der große Altar, dessen modernes Gemälde von Bernd Baumgart aus Halle gemalt wurde. Der Altar zeigt in der Predella eine Szene aus dem Garten Eden, im Hintergrund links der Petersdom sowie im großen Bild die Grablegung Christi, dargestellt unter Einbeziehung von Elementen der Ist-Zeit, wodurch das Gemälde überaus eindrücklich, in Details teilweise auch surreal wirkt. Taufe und Kanzel sind beide aus Holz gefertigt und hell gestrichen, sie zeigen schlichte neoromanische Formen. Der Kanzelkorb ruht auf einem achteckigen, mehrfach gestaffelten Fuß, die einzelnen Rundbogenfelder werden durch schlichte Pilaster gegliedert. Im Mittelfeld, dem Kirchenschiff zugewandt, ist ein Kruzifix zu sehen. Die Empore aus dunklem Holz ruht auf massigen, quadratischen Säulen und umfasst L-förmig den Raum. Durch die breiten bis unter die Decke reichenden Säulen und die breiten Pilaster in Verbindung mit den gedrungenen, kleinen Rechteck-Zierfeldern und der dunklen Farbe wirkt die Empore recht massiv, ohne drückend zu sein. Durch die reiche Holzausstattung ist die Akustik recht hallarm, aber transparent und durchsichtig. Der Raumeindruck ist gemütlich, geborgen. warm, hell, aber gleichzeitig nachdenklich und erhaben – die Kirche wird gern und oft zum Gottesdienst genutzt.

Anfahrt

Quellenangaben


Orgelbeitrag erstellt von:

Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: J. Richter – Sichtung vor Ort 09.01.2022, ergänzt durch Informationen aus: W. Stüven, Orgel und Orgelbau im Halleschen Land vor 1800, Breikopf&Härtel, Wiesbaden 1964
Kirchengeschichte: J. Richter – Sichtung vor Ort 09.01.2022, ergänzt durch Informationen aus: W. Stüven, Orgel und Orgelbau im Halleschen Land vor 1800, Breikopf&Härtel, Wiesbaden 1964

Altarbilder vom Altar (1998) mit freundlicher Genehmigung von Maler Bernd Baumgart (Halle)
Webauftritt des Künstlers

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Johannesgemeinde und des Künstlers Bernd Baumgart

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