Orgel: Teutschenthal / Zscherben – St. Cyriakus
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Die Orgel der Dorfkirche St. Cyriakus zu Zscherben befindet sich leider seit vielen Jahrzehnten in einem komplett unspielbaren Zustand. Viele Teile sind ausgelagert. Vandalismus und Pfeifendiebstahl hatten schon nach der einstigen Aufgabe der Kirche nach dem Jahr 1963 eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
Seit einigen Jahren finden schrittweise Instandsetzungsmassnahmen statt und die Kirchgemeinde versucht mit Hilfe von Spenden die Kirche zu erhalten.
Link zur Gemeindeseite mit Möglichkeit zu Spenden
Gebäude oder Kirche
St. CyriakusKonfession
EvangelischOrt
Teutschenthal / ZscherbenPostleitzahl
06179Bundesland / Kanton
Sachsen-AnhaltLand
DeutschlandBildergalerie + Videos
Orgelgeschichte
1692 Anschaffung einer nicht näher definierten Orgel eines bislang unbekannten Erbauers, gekauft von der Kirchengemeinde Eisdorf, sie war möglicherweise das Werk des dortigen Schulmeisters, Prüfung der Orgel durch Friedrich Wilhelm Zachow
1711/12 Revision der Orgel
1744/45 Erweiterung um ein in Wettin gekauftes Register
1770/71 Reparatur durch Zuberbier
1831-41, 1843 Revisionen der Orgel durch Johann Gottlieb Kurtze/Halle
1852 Orgelrevision durch B. Thinzer/Merseburg
1853 Bezeichnung der Orgel als „mangelhaft“ durch Orgelbauer Leberecht Märker/Halle
1857 Vermietung eines Positives als Interimsorgel durch Wäldner
1858 Verhandlungen über Neubau mit Conrad Geißler/Eilenburg, dieser wurde aber nicht ausgeführt
Derzeitige Orgel
1860 Vertragsschluss mit Wäldner
1861 Neubau der heutigen Orgel mit mechanichen Schleifladen und mittig fest eingebautem Spieltisch durch August Ferdinand Wäldner (Halle) als vorderspieliges Werk mit 11 Registern auf zwei Manualen und Pedal.
1917 Abgabe der Prospektpfeifen aus Zinn zu Rüstungszwecken, danach Ersatz durch Zinkpfeifen durch die Fa. Rühlmann.
Ab 1963 Nutzung der Kirche aufgegeben. Starke Schäden an der Orgel durch Vandalismus, diverse Prospektpfeifen verschwanden desgleichen die meisten Metallpfeifen.
Nach 2000 Auslagerung der damals beschädigten und unspielbaren Orgel aufgrund der Sanierung des Gewölbes. Ein Wiedereinbau erfolgte nicht.
2021 die Orgel ist heute auf der Empore gelagert. Das Material ist stark vom Holzwurm befallen, der technische Unterbau beschädigt, große Teile des Pfeifenwerkes sind verschwunden.
Die Wäldner-Orgel in Zscherben zeigt sich heute in einem traurigen Zustand. Das Werk steht hinter einem schlichten, neogotischen Prospekt, dessen fünf Felder flach ausgeführt sind. Der Prospekt war einstmals klingend – die drei großen Felder werden von zwei kleineren unterbrochen. Die Windlade der Manuale steht als durchschobene Lade dahinter, die Register waren von der Mitte abfallend in C- und Cis-Seite geteilt. Hinter dem Stimmgang stand nahezu ebenerdig das Pedalwerk, ebenfalls in C/Cis geteilt. Alle Werke besitzen eigene Wellenbretter. Aufgrund der nach der Aufgabe der Kirche erfolgten Beschädigungen kann die Disposition heute teilweise nur noch vermutet werden, es fehlen vier abgebrochene Manubrien im ersten Manual, deren Register vom Verfasser auf Basis anderer ähnlicher Wäldner-Orgeln (Nauendorf, Brachwitz, Angersdorf/Schlettau) als Vermutung angegeben wurden. Auch das Zierwerk des Prospektes wurde entfernt. Der heutige Zustand ist dramatisch und besorgniserregend: Sämtliche Holzteile sind stark vom Wurmfraß befallen, wobei die Windkästen noch recht gut intakt sind. Das Pfeifenwerk, achtlos neben der Orgel auf der Empore gestapelt, enthält bis auf wenige Zinkpfeifen des ehemaligen Prospektes nur noch ebenfalls stark vom Wurm zerfressene Holzpfeifen, die vermutlich u.a. von Bordun 16′, Flöte 8′ und 4′ stammen dürften. Auch diverse teils rigoros abgebrochene Rasterbretter finden sich dort. Das Gehäuse der Orgel ist heute komplett leer. Teilweise finden sich Kisten mit ehemaligem Zierrat des Prospektes (Filialen, Kreuzblumen) auf der Empore. Bemerkenswert ist der zu der Zeit für Wäldner recht geringe Umfang des Pedals, bereits im Dom zu Halle baute er 1851 bis d‘. Auch der technische Unterbau ist u.a. durch zerbrochene Abstrakten und durch Wurmfraß beschädigte Döckchen auf den Wellenbrettern stark in Mitleidenschaft gezogen und im schlechten Zustand.
Zum Klang der Orgel kann dementsprechend heute nichts mehr gesagt werden, wahrscheinlich wird das Instrument mit Klangkraft und Gravität überzeugt haben, bekrönt durch den silbrigen Klang einer bei Wäldner meist noch barock inspirierten Mixtur, ausdifferenziert in einige Charakterstimmen, die den Klang vor allem im Piano-Bereich sowie mit solistischen Qualitäten aufwerten. Die Disposition folgt dabei dem Prinzip des „geteilten Hauptwerks“. Die Stimmen, welche eigentlich auf einem Manual disponiert werden könnten, werden um der Farbigkeit und Verfielfältigung der Möglichkeiten wegen auf zwei Manuale disponiert, wobei das zweite Manual meist eine eher begleitende Funktion hat, so wie es hier zu sehen ist. Dieses Prinzip wurde auch von Ladegast, Gerhardt und Rühlmann angewendet und bildet das Rückgrat kleinerer Dorforgeln in hochromantischer Zeit. Es wäre zu wünschen, dass diese wertvolle Orgel aus Wäldner’s mittlerer Schaffensperiode wieder auferstehen darf, obgleich der Zustand, die nötigen Finanzen und die seltene Nutzung der Kirche daran zweifeln lassen. Die heutige musikalische Versorgung erfolgt über die digitale Orgel in der Kirche oder aber die diversen, teils recht kuriosen seltenen Harmonien, welche sich in der Kirche verteilen, von denen sich der Musiker eines aussuchen möge.
Disposition
I – Hauptwerk C – f“‘Bordun 16′.* Principal 8′.* Gedackt 8’* Octave 4′.* (Zink, teilw. Prospekt) Octave 2′. Mixtur 3fach.
|
II – Oberwerk C – f“‘Viola di Gamba 8′. Flauto trav. 8′. Flauto amab. 4′. |
Pedal C – c‘Subbaß 16′. Principal,,baß 8′.** |
*=Vermutung aufgrund der Sichtung anderer Wäldner-Orgeln und der vorgefundenen Pfeifen. Alle Registerschilder dieser Register fehlen, die Manubrien sind abgebrochen worden.
**=Das „,,“ bezeichnet den Zeilenumbruch auf dem Registerschild.
Spielhilfen
Als Registerzüge links unten nebeneinander:
Pedal=Coppel. [I/P], Manual=Coppel. [II/I]
Als Registerzug rechts unten: Calcanten,,ruf. [heute außer Funktion]
Gebäude oder Kirchengeschichte
10. Jahrhundert der Ort gehört zum Kloster Memleben. Errichtung einer ersten Kapelle aus Holz (dem Hl. Cyriakus geweiht) zu Missionszwecken in dem slawischen Dorf.
1250 Verkauf des Dorfes an den Deutschen Orden. Die Kirche Zscherben wird damit eine der ersten Deutschordenskirchen im heutigen Deutschland.
13. Jahrhundert Bau eines Gotteshauses aus Stein.
15. Jahrhundert Anbau eines dreiseitigen Chorabschlusses sowie gotischer Spitzbogenfenster.
30jähriger Krieg: teilweise Zerstörung der Kirche.
1590 Guss der großen Glocke durch Eckhart Kucher (Erfurt) – Nominal g‘.
1664 Wiederaufbau auf den Grundmauern der alten Kirche.
1713 – 1716 Neubau des Turmes mit welcher Haube.
1750 Zerstörung des Ortes durch Feuersbrunst, dabei auch Schaden an der Kirche – anschließend Reparatur, u.a. neues Gestühl eingebaut.
1888 – 1889 Kirche erhält einen neuen Innenanstrich – durch die Freilegung barocker Elemente ist davon nichts mehr erhalten.
1917 Abgabe einer kleinen Glocke zu Rüstungszwecken, vermutlich auch von Kucher.
1926 Guss einer neuen kleinen Glocke durch Christian Störmer (Erfurt) – Nominal d“.
1963 Aufgabe der Kirche in späteren Zeiten, danach mangelnde Pflege und Vandalismus u.a. Beschädigung des Baukörpers.
Anfang 1980er Jahre Kirche steht trotz der Schäden unter Denkmalschutz.
1991 Sanierung des Turmes.
1993 Dachsanierung des Kirchenschiffes und Einbau neuer Fenster.
Folgende Zeit: geplante Restaurierung konnte nicht ausgeführt werden, aber bauliche Sicherung und Überarbeitung des Innenraums durch ABM-Kräfte, Restaurierung der Holztonne mit Bemalung erfolgte jedoch.
Stand 2021 seltene Nutzung der Kirche, Zustand ist baulich gesichert, aber weiterhin restaurierungsbedürftig u.a. Wurmbefall und Feuchtigkeit im Inneren.
Die Cyriakuskirche Zscherben ist ein durchaus bemerkenswerter Bau, vereint sie doch Elemente von Barock und Gotik. Das Gotteshaus zeigt sich als einschiffiger Saalbau mit dreiseitigem Chorabschluss auf einem rechteckigen Grundriss. Die Fenster auf der Südseite sind noch gotisch und spitzbogig, desgleichen die des Chores – auf der Nordseite erhellen hohe barocke Rechteckfenster den Raum. Im Westen angeschlossen ist der massige Westturm auf quadratischem Grundriss mit seiner welschen Haube, die markant die Ortssilhouette prägt. Der Innenraum lässt noch heute vieles seiner einstigen Pracht erahnen. Die Holztonne ist mit einem durch Stuckatur gerahmten Deckengemälde mit Putten sowie dem Gottesnamen im Strahlenkranz verziert. Über dem Hochaltar ist das Chorraumgewölbe mit einem ebenfalls in Stuckatur gefassten Gemälde des blauen Himmels samt Wolken verziert und verleiht dem Blick in Richtung Altar damit bemerkenswerte Tiefe. Links und rechts des Himmels sind zwei aus Holz geschnitzte Vögel aufgestellt.
Der Kanzelaltar, heute leider stark gedunkelt, wird von hohen korinthischen Säulen flankiert, neben denen Ölgemälde der vier Evangelisten angebracht sind. Geschnitzte biblische Figuren flankieren und bekrönen den Altar. Die u-förmig umlaufende Holzempore ist heute nur noch auf der Nordseite zweistöckig, auf der Südseite ist ein Stockwerk verloren gegangen. Die Emporenfelder zeigen reiche Malereien aus der Passionsgeschichte Christi, wobei zwei Felder nicht mehr vorhanden sind. Das Gestühl stammt circa von 1750 und ist äußerst schlicht, der Taufstein wurde 1696 geschaffen. Somit zeigt sich die Kirche als ein verblasster, ehemals prachtvoller, doch durchaus eindrucksvoller und erhabener Raum, welcher eher durch seine reiche künstlerische Gestaltung als durch die eigentümliche Ansammlung spielbarer und unspielbarer Harmonien aller Bauarten und an allen möglichen Stellen der Kirche zu überzeugen weiß. Eine regere Nutzung sowie eine umfangreiche Sanierung des erhabenen Gotteshauses wäre sehr zu wünschen.
Anfahrt
Quellenangaben
Orgelbeitrag erstellt von: Johannes Richter
Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter, ergänzt durch Informationen eines Aushangs in der Kirche sowie W.Stüven: Orgel und Orgelbauer im Halleschen Land vor 1800, Breitkopf&Härtel, Wiesbaden 1964
Kirchengeschichte: Aushang in der Kirche, ergänzt durch Informationen des Webauftritts der Gemeinde
Webauftritt der Gemeinde