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Orgel: Schkopau / Raßnitz-Weßmar – St. Michael

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Gebäude oder Kirche

St. Michael

Konfession

Evangelisch

Ort

Schkopau / Raßnitz-Weßmar

Postleitzahl

06258

Bundesland / Kanton

Sachsen-Anhalt

Land

Deutschland

Bildergalerie + Videos



Bildrechte: Datenschutz

Orgelgeschichte

Um 1700 ist vermutlich eine Orgel vorhanden, wahrscheinlich ein kleines Positiv.
1753 Neubau einer mechanischen Schleifladenorgel I/P mit ca. 10-12 Stimmen zusammen mit dem heutigen Prospekt, vermutlich durch Johann Christoph Zuberbier.
1788 Erweiterung um ein Oberwerk mit 6 Stimmen auf II+P durch Johann Gottfried Krug/Merseburg
1923 Neubau einer pneumatischen vorderspieligen Kegelladenorgel I/4 hinter dem historischen Prospekt durch Wilhelm Rühlmann/Zörbig als Opus 404.
Ab ca. 1955 wird die Orgel wird kaum noch gespielt und verfällt zusehends zusammen mit der Kirche, u.a. fehlte das komplette obere Gesims des Prospektes, das Werk erlitt durch herabfallenden Putz von der Decke schweren Schaden (s. Bild)
2011 ist die Orgel vor herabfallendem Putz durch die Sanierung der Decke geschützt.
2017 große Sanierung mit Rekonstruktion diverser Pfeifen durch Orgelbau Thomas Schildt aus Halle/Saale für ca. 60.000 Euro – die Orgel erklingt erstmals seit ca. 60 Jahren wieder.

Eines sei vorab gesagt – es ist ein großes Glück, dass die Orgel in der einstigen Pfarrkirche zu Weßmar heute wieder in so einem guten Zustand ist. Einst sollte das kleine, aber edle Werk das Schicksal der Instrumente in Klepzig und Röglitz teilen – beide Werke sind aufgrund des drohenden Abbruchs von Ort und Kirche durch den zu DDR-Zeiten stark forcierten Braunkohletagebau abgebrochen worden und verschollen – abgebaut und abgegeben – für immer verloren. Zwar sind beide Kirchen wieder aufgebaut worden (ebenso wie St. Michael zu Weßmar), aber die Instrumente sind nicht wieder erstanden. Anders in Raßnitz-Weßmar – hier ist die Orgel in liebevoller und sehr guter Arbeit durch den Förderverein und Orgelbauer Thomas Schildt aus Halle restauriert worden und erfüllt die Kirche mit ihrem Klang.
Das Werk steht hinter dem barocken Prospekt der einstigen Orgel der Kirche. Die Schaufront schließt nahezu plan mit dem Turmbogen vom Turm zum Kirchenschiff ab, der Rest des Werkes befindet sich im Turmraum, vor den Blicken des Betrachters verborgen. Die Prospektfront selbst zeigt sich edel und wohlproportioniert, von einem einstigen Werkaufbau bestimmt: Zwei seitliche große Flachfelder flankieren einen zweistöckigen Mittelteil. Der Mittelteil selbst wird aus zwei übereinander angeordneten, dreiteiligen Elementen gebildet, die jeweils ein rundes, vorspringendes Mittelfeld und zwei seitlich nach innen hin aufstrebende Flachfelder besitzen. Beide Mittelteile sind zueinander symmetrisch, das Obere bildet die logische Fortführung des Unteren. Das „Oberwerk“ zeigt eine 2′-Höhe, das untere Mittelteil eine 4′-Höhe, die Pedalfelder an den Seiten besitzen 8′-Höhe. Die Prospektpfeifen mit ihrem dezenten Silberglanz bestehen aus Zink. Der bekrönende Giebel des oberen Prospektmittelteils wurde im Zuge der Sanierung 2015-17 rekonstruiert, es war zwischenzeitlich verloren gegangen. Pilaster ohne Kanneluren flankieren und gliedern den Prospekt, der durch pastellrote, marmorierte Farbe einen geschmackvollen Akzent in der Kirche bildet, unterstrichen durch den hellgrauen Grundfarbton des Gehäuses. Akanthus-Schnitzwerk mit dezenten Vergoldungen schmückt die Schaufront, im Untergehäuse sind zwei Klangöffnungen eingelassen. Das bekrönende Gesims besitzt eine dunkelgraue, mit Weiß marmorierte Zierleiste, die Seitengiebel über den Seitenfelder streben dabei nach oben und verleihen dem Prospekt damit eine bemerkenswert leicht schwebende, himmelstrebende und sehr ausgewogene Ausstrahlung.
Die heutige Orgel wirkt in dem großen Gehäuse fast etwas verloren, offenbar war nach dem Kriege nicht viel Geld vorhanden, um ein neues großes Werk zu finanzieren – gut das dreifache der vorhandenen Stimmen hätte das heutige Gehäuse fassen können, gebaut wurden lediglich vier – eine Art liturgische „Grundausstattung“, vielleicht auch ein Spiegel der musikalischen Gottesdienstbedürfnisse nach einem zermürbenden Krieg?
Das Instrument besitzt einen frontal angebauten Spieltisch, der das Nötigste beherbergt – Registerschalter und die Klaviaturen. Weitere Spielhilfen gibt es nicht, sie wären bei 4 Registern auch etwas Zuviel des Guten. Die Registerschilder aus Porzellan sind in Frakturschrift beschriftet und als Crescendo angeordnet – ganz links die leise Flöte, danach das Salicional, zuletzt der Principal, danach die Spielhilfen. Die beiden Oktavkoppeln sorgen dafür, dass dennoch ein Hauch „große Orgel“ beim Klang des Werkes durch die Kirche weht – für große Gemeinden ist das Werk aber trotz kraftvoller Intonation doch unterdimensioniert. Im Inneren des großen Gehäuses steht eine kleine, chromatisch dem Verlauf der Klaviatur folgend aufgestellte Windlade für das Manual, dahinter steht ebenerdig der Subbass des Pedals, ganz hinten befindet sich der Balg samt Motor. Die Disposition ist mit drei Stimmen der Äquallage und einem 16′-Register im Pedal maximal grundtönig ausgelegt. Ein warm-dunkles, stilles Flöten-Gedackt bildet die leiseste Stimme, nach oben öffnet sich der Klang perlend und hell. Das Salicional ist eher eine kraftvoll schneidige, obertonreich-singende, leicht melancholische Gambe. Zuletzt folgt als Forte-Stimme der Principal 8′ mit seinem für die Werkstatt Rühlmann typischen kraftvoll-sämigen, starken und trotzdem sanglichen Klang, dem jede Härte fehlt. Durch die (nicht ausgebauten!) Oktavkoppeln ergibt sich vor allem durch Principal und Salicional ein heller, strahlend-fröhlicher Klang, der die (leere) Kirche gut füllt. Das Flötengedackt lässt als 4′-8′-Mischung bezaubernd weich kullernde Klänge hören. Der Subbass grundiert das Werk gut und kraftvoll, ist für den Raum aber auch mit Pedalkoppel zu dunkel und klanglich nicht tragend genug. Der Gesamtklang des Werkes ist edel und warm-mischfähig, trotz der wenigen Stimmen voll und kraftvoll, aber nicht laut – trotzdem bis zu einem gewissen Maße tragfähig. Es mag nicht die schönste oder bedeutendste Rühlmann-Orgel sein, dennoch gebührt auch dem 404. Werk der Firma in Raßnitz-Weßmar der Respekt und die Anerkennung zur nahezu vollwertige Gottesdienst-Orgel. Auch und vor allem dem Förderverein sowie dem kundigen Restaurator und Intonateur Thomas Schildt sei für die handwerklich und klanglich sehr ansprechende Sanierung ein höchster Respekt ausgesprochen!

Disposition

Manual C – f“‘

Principal 8′

Flöten gedackt 8′

Salicional 8′

Pedal C – d‘

Subbass 16′

 

Spielhilfen

Als Registerschalter mittig: Ober-oktav koppel, Unter-oktav koppel, Pedal-koppel
Als Registerschalter ganz rechts: Kalkant

Die Oktavkoppeln sind nicht durchkoppelnd, heißt: Erklingen im Manual durch die Oktavkoppel 8′ und 4′, bleibt dem Pedal durch die Pedalkoppel nur der 8′.

Gebäude oder Kirchengeschichte

1091 gehört Raßnitz-Weßmar als Pfarrdorf zum Kloster Petersberg – es muss also schon damals hier ein Gotteshaus gegeben haben.
Um 1400 Errichtung einer spätgotischen Saalkirche am heutigen Ort – 1404 wurde der älteste Balken geschlagen.
1477 wurde der Glockenstuhl gebaut und eine Glocke gegossen.
Um 1630 Einbau der Holzempore im Inneren.
1659 wurde eine erste Turmuhr eingebaut.
1710 vermehrte Reparaturarbeiten am Gebäude.
1717 Einbau der Patronatsloge.
1724 wurde der Fußboden der Kirche durch Sandsteinplatten ersetzt.
1726 durch Regen und Sturm entstehen an der Kirche schwere Schäden, sodass ein Neubau dringend notwendig wird – vor allem das Mauerwerk des Turmes ist sehr schadhaft.
1733 Aufsatz einer doppelt geschweiften Turmhaube durch den Raßnitzer Zimmermann Johann Renz mit offener Laterne für 153 Thaler.
1754 Vollendung des Kirchenschiff-Umbaus u.a. mit Schweifgiebel in der Außenfassade.
1754 Einbau und Vollendung des hölzernen Kanzelaltars, des Orgelprospektes und des Taufgestells, diese Stücke wurden durch Bildhauer Johann Heinrich Agner d. J. und den Maler C. H Lehmann gestaltet.
1796 Umguss einer Glocke.
1804 Umguss einer weiteren Glocke aufgrund eines Sprunges.
1906 Einbau einer neuen Turmuhr durch Ulrich&Weule, Bockenem
1917 Abgabe zweier der drei Glocken zu Rüstungszwecken.
1926 Guss zweier neuer Glocken durch Schilling/Apolda als Stiftung von Mühlenbesitzer Bunge und Gutspächter Lehmann.
1942 Abgabe zweier Glocken zu Rüstungszwecken, nur die Kleinste (Nominal: c“) blieb erhalten.
Um 1945 Schäden an der Kirche durch herumfliegende Trümmerteile.
Nach 1945 Sanierung der Kirche – Versetzung der Patronatsloge, Ausbau des Ältestengestühls, Entfernung des oberen Emporengeschosses.
Nach 1950 Planungen zum Abbruch des Ortes im Zuge der seit dem 1. Weltkrieg geplanten Erschließung der Braunkohlevorkommen unter Raßnitz.
1971-73 Erschließung des Tagebaus Merseburg-Ost – die Kirche wurde nicht mehr gepflegt, sie sollte wie so viele andere Kirchen der Braunkohle weichen.
1991 Schließung des Tagebaus, dadurch blieb die Kirche vom Abbruch verschont – ein ähnliches Schicksal sollte übrigens auch die Kirche in Röglitz (etwas weiter entfernt) ereilen.
2007 Gründung des Fördervereins zur Restaurierung und Erhaltung der Kirche zu Raßnitz/Weßmar.
2009 Turmsanierung des einsturzgefährdeten Turmes, dabei wurde die offene Laterne wieder hergestellt, Kosten: 200.000 Euro.
2010 Sanierung der stuckierten Tonnendecke im Inneren.
2011-15 Umfassende Sanierung des gesamten Bauwerkes – Fassaden, Innenwände, Empore, Bleiglasfenster.
2018 Sanierung des Kanzelaltars und der Herrschaftsloge, dabei v.a. Holzwurmbekämpfung.

Die Kirche in Raßnitz befindet sich eigentlich im Ortsteil Weßmar, worauf in der Region auch großer Wert gelegt wird – der Einfachheit halber wird die im Pfarrbereich gebräuchliche Namensnennung „Raßnitz“ genutzt. Die einstige Pfarrkirche unter dem Patronat des Klosters Petersberg sollte durch die reiche Braunkohle unter dem Ort das selbe Schicksal wie die Kirchen in Klepzig, Röglitz und in vielen anderen Orten teilen – abgerissen, vergessen, dem Fortschritt und der Braunkohle weichend, ein steingewordener Anachronismus, der in der modernen Welt keinen Platz hat. Die glückliche Fügung der Wende ließ alle drei genannten Kirchen diesem Schicksal entgehen, alle drei sind heute wieder ganz wunderbar aufgebaut und liebevoll saniert. Die Kirche in Raßnitz liegt an der Südseite des Dorfes auf einer kleinen Anhöhe, von der aus man auf das heute als „Raßnitzer See“ geflutete Tagebaurestloch hinab schauen kann. Das Gotteshaus selbst zeigt sich heute in den Grundfesten gotisch, später aber barock verändert als quasi zweischiffiger Saalbau mit Südanbau, vierseitigem Polygonalchor im Osten und auf quadratischem Grundriss stehendem Turm im Westen. Da der Südanbau vom Westende des Chores über die gesamte Länge des Kirchenschiffes bis zum Turme reicht, darf man getrost von einer quasi zweischiffigen Kirche sprechen. Auf der Nordseite ist eine kleine, rechteckige, aus gotischer Zeit stammende Sakristei angefügt. Der südliche Anbau reicht, wie schon gesagt, über die gesamte Länge des Kirchenschiffes ohne Chor und Turm, und besitzt einen Schweifgiebel mit Vasendekor – auch der Haupteingang befindet sich dort. Im Schweifgiebel sind zwei kleine Rundfenster eingelassen. Alle Fenster des verputzten Kirchenbaus sind als barocke Segmentbogenfenster ausgeführt. Der Turm steht auf quadratischem Grundriss und besitzt in der Glockenstube kleine, segmentbogige Schallfenster. Eine große doppelt geschweifte, schiefergedeckte welsche Haube mit offener, rechteckiger Laterne und Turmknopf bekrönt den Turm.
Das Innere des erhabenen Kirchbaus beeindruckt durch eine nahezu vollständig erhaltene barocke Innenausstattung, die heute dank vieler liebevoller Arbeitsstunden wieder in vollem Glanz erstrahlt. Der mächtige Kanzelaltar besitzt zwei seitliche kleine Verschläge mit Türen. Zwei wuchtige Rechteck-Pilaster ohne Kanneluren, dafür mit rot marmorierten Zierfeldern, umrahmen den geschwungenen Kanzelkorb, dessen Lesepult auf den Flügeln eines Adlers ruht. Der Schalldeckel ist mit Vorhangschnitzwerk versehen – unter dem Schalldeckel befindet sich ein geschnitzter Puttenkopf umgeben von Akanthus-Schnitzwerk. Die Bekrönung zwischen den himmelstrebenden Giebeln der Seitenelemente bildet ein goldener Adler im Wolkenkranz mit stilisierten Strahlen. Der Altar ist wie der Orgelprospekt in Rot-Grau und Dunkelgrau mit hellen Marmorierungen gehalten. Auf der Nordseite des Chorraumes befindet sich die Patronatsloge mit ihren verglasten Gitterfenstern und einer barocken Zierkartusche mit Inschrift. Auf der Südseite befindet sich ein geschnitztes Ältestengestühl. Chor und Kirchenraum werden von einer teils stuckierten Muldendecke überspannt, die heute ganz in weiß gehalten ist. Der südliche Anbau verfügt über eine Holztonne, die quer zum Kirchenschiff läuft. Das reich geschnitzte Taufgestell dient gleichzeitig als Lesepult und ist mit Akanthusdekor versehen, der golden gefasst ist. Die barocken Zierkartuschen zeigen Szenen der Taufe in der Bibel, u.a. die Taufe Jesu im Jordan. Die Empore umfasst hufeisenförmig den Raum und geht auf der Nordseite nahezu nahtlos in die Patronatsloge über. Die einzelnen Emporenfelder sind mit Zierkartuschen, die Bibelsprüche tragen, geschmückt und floral geschnitzten Rahmen umgeben. Die vorschwingende Brüstung unter der Orgel ist als durchbrochene Balustrade ausgeführt. Der Innenraum der Kirche ist hell und weit, edel und erhaben, dabei aber doch bunt. Es ist ein großes Glück, dass die Raßnitzer Kirche heute in dieser Gestalt erstrahlen darf, für die Erhaltung dieses Kleinodes ist dem Förderverein und der Gemeinde ein großer Dank auszusprechen.

Anfahrt

Quellenangaben


Orgelbeitrag erstellt von:

Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter – eigene Sichtung vor Ort, ergänzt durch Informationen der Schautafeln in der Kirche
Kirchengeschichte: Johannes Richter mit Informationen der Schautafeln an und in der Kirche, ergänzt durch Artikel „Fast Goldener Kirchturm“ von K. Loewe, Mitteldeutsche Zeitung 19.03.2018 auf der Webseite der Mitteldeutschen Zeitung, abgerufen am 05.02.2022

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