Orgel: Salzatal / Schochwitz-Gorsleben – St. Marien
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Gebäude oder Kirche
St. MarienKonfession
EvangelischOrt
Salzatal / Schochwitz-GorslebenPostleitzahl
06198Bundesland / Kanton
Sachsen-AnhaltLand
DeutschlandBildergalerie + Videos
Orgelgeschichte
1764 Erwähnung eines Positives mit 4 Registern und einem Manual, es besaß einen Prinzipal 2′.
Ende 18. Jahrhundert Anschaffung einer nicht näher spezifizierten Orgel, deren schlichter Prospekt heute noch leicht verändert steht.
1912 Neubau der Orgel durch Ernst Röver (Hausneindorf) als vorderspieliges Werk auf pneumatischen Kastenladen mit II/10 (9+1?).
1917 Abgabe der Prospektpfeifen, Ersatz durch dunkelgelbes Tuch.
1970 Auslagerung des Pfeifenwerkes, dieses ging auf undurchdringlichen Wegen verloren.
2023 Prospekt, Spieltisch (ohne Pedal), Windladen und Windkanal sowie Balganlage erhalten. Pfeifenwerk ist unwiederbringlich verloren. Ein elektrischer Winderzeuger existierte nie.
Die Röver-Orgel in Gorsleben, die einzige hier in der Region, ist eines der Instrumente, denen keine Zukunft beschieden ist. Das kleine Instrument folgte den Grundsätzen der romantischen Disponierung mit einem starken Hauptmanual mit Mixtur, dessen Octave 4′ durch ein etwas schwächeres Gemshorn substituiert wird, sowie einem klanglich sehr zurückgenommenen Hinterwerk, welches Register enthält, die das Hauptwerk eigentlich abstufen und dort hinein gehören, aber zum Zwecke der höheren Vielfalt und Vielseitigkeit auf ein eigenes Manual ausgelagert sind. Das Hauptwerk stand nahezu ebenerdig auf pneumatischen, chromatischen Laden ganz vorne, dahinter das Hinterwerk und an der Rückwand das Pedal. Der Spieltisch ist heute eher eine Abstellkonsole für Kuriositäten wie Kunstblumen, seine Schilder sind stark verblichen, die Farben der Schalter angegriffen. Die Octavkoppeln waren nicht ausgebaut, das Cello 8′ im Pedal ist als Transmission anzunehmen, da der Platz in dem kleinen Gehäuse doch recht beengt ist. Die Balganlage befindet sich hinter der Orgel seitlich stehend, ein Gebläse besaß das Werk nie. Die Kastenladen Röver’scher Bauart sind heute stark mit Holzwurm befallen und beschädigt, desgleichen die Kondukten der pneumatischen Anlage. Alle Pfeifen samt Rasterbrettern sind auf unbekanntem Wege verloren gegangen und unwiederbringlich verschollen. Angesichts der seltenen Nutzung der Kirche scheint ein Wiederauferstehen der kleinen, aber sicher klangschönen und für die Region seltenen Röver-Orgel mehr als unwahrscheinlich, nahezu chancenlos. Traurig, dass dieser unschätzbare Wert an sicher original erhaltener Orgel-Romantik verloren gegangen ist!
Disposition
Manual I – Hauptwerk C – f“‘ (weiß)Principal 8′ Gamba 8′ Hohlflöte 8′ Gemshorn 4′ Mixtur 3fach |
Manual II – Hinterwerk C – f“‘ (rosa)Zart gedackt 8′ Aeoline 8′ Flöte 4′ |
Pedal C – d‘ (heute verloren, blau-grün)Subbaß 16′ Cello 8′ (Tr.I?) |
Die Registerschilder sind heute völlig verblichen und nur sehr schwer lesbar.
Spielhilfen
Als Registerschalter (rot): M.Sup.Oct.Coppel II an I, M.Sub.Oct.Coppel I, Pedal Coppel I, Pedal Coppel II
Als Collectivdrücker aus Messing in der Vorsatzleiste unter Manual I, beschriftet: p, mf, f, Auslöser
Gebäude oder Kirchengeschichte
12. / 13. Jahrhundert Errichtung des Ursprungsbaus.
Frühes 16. Jahrhundert umfangreiche Umbauten, Anfügung des dreiseitigen Chores, Einbau von Maßwerk in die Rundbogenfenster sowie gotischer Maßwerkfenster im Westturm.
15. Jahrhundert Guss der heutigen Glocke durch einen unbekannten Gießer, reich verziert mit Pilgerzeichen.
1613 weiterer Umbau, u.a. Einbau eines Renaissanceportals an der Südseite – durch Jahreszahl belegt.
1613 Schaffung des Taufbeckens.
1. Hälfte 18. Jahrhunderts Schaffung des Kanzelaltars, Umbau der Inneneinrichtung.
Mitte 18. Jahrhundert Einbau von West- und Nordempore.
18. Jahrhundert Aufsatz des Turmdaches samt Dachreiter und Helm.
1909 Erneuerung des Taufbeckens
1917 Abgabe einer Glocke und der Prospektpfeifen der Orgel.
1970er Jahre Aufgabe der Kirche, Verschlechterung des Zustandes – Auslagerung der Orgel.
Um 1990 Beginn der Instandsetzung der Kirche durch liebevolle Arbeit von Gemeindemitgliedern.
Die Dorfkirche Gorsleben steht auf einer Anhöhe über dem Dorf gelegen. Das in seinen Grundfesten romanisch erbaute Gotteshaus zeigt sich als gedrungene einschiffige Saalkirche mit breitem Westquerturm, den gotische Maßwerkfenster zieren und der von einem quersitzenden Spitzdach samt barockem Dachreiter bekrönt wird. Der Chorabschluss ist in gotischer Zeit dreiseitig entstanden, die Halbbogenfenster des Kirchenschiffes sind mit dezentem Maßwerk versehen. Die Kirche scheint auf einer ehemaligen Kultstätte errichtet worden und später als eine Art Pilger- oder Wallfahrtsort gedient zu haben, da die Glocke reich mit segenbringenden Pilgerzeichen (ähnlich denen der Kirche in Krimpe) verziert ist, die den Pilgern Gottes Segen mit auf den Weg geben sollten. Das helle Innere zeigt sich schlicht. Eine Kassettendecke aus Holz, deren einzelne Felder einstmals kunstvoll bemalt waren und heute beschädigt und unkenntlich über den Verfall der Kirche berichten, überspannt den Raum. Unterhalb umrahmt ein roter Zierstreifen das Mauerwerk. Die Fensternischen sind durch schmale farbige Bänder abgesetzt. Der schlichte Altar steht hinter einem gemauerten Altartisch mit massiver Altarplatte. Der Kanzelkorb wird von dezenten floralen Schnitzwangen und niedrigen Säulen umrahmt, deren korinthische Kapitelle mit der Oberkannte des polygonalen, schlichten Kanzelkorbes abschließen, dessen Felder mit zwei gemalten Ähren und einem Kreuz verziert sind. Bekrönt wird der schlichte Altar von einem torartigen Aufsatz, der gleichsam den Durchgang zum Kanzelkorb bildet mit aufgemalten Säulen und einem ausschwingenden Giebel mit Zierkugeln. In der Predella befindet sich eine Zierkartusche mit einem Bibelwort – die rotbraune Farbfassung des Altars ist mit Sicherheit nicht als original anzusehen, fügt sich jedoch angenehm in den Raum ein. Die Empore umläuft L-förmig den Raum und umschließt West- und Nordseite. Ihre rechteckigen Flachfelder sind mit Kreuzblumen, floraler Malerei und Spruchbändern mit geometrischen Mustern verziert. Schmale, schlichte Säulen tragen die Empore. Das Taufbecken ist im Gegensatz zum Rest der Kirche sehr reich verziert. Der Raumeindruck der schlichten, aber in sich sehr geschlossenen kleinen Kirche ist andachtsvoll und besinnlich, den Blick in die Weite, nach oben lenkend und zählt in den Augen des Autors zu den wirkungsvollsten und angenehmsten Räumen des Salzatals.
Anfahrt
Quellenangaben
Orgelbeitrag erstellt von: Johannes Richter
Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter – eigene Sichtung und Bestandesaufnahme, ergänzt durch Informationen aus:
W. Stüven – Orgel und Orgelbau im Halleschen Land vor 1800, Breitkopf&Härtel, Wiesbaden 1964
Kirchengeschichte: Webauftritt der Gemeinde, ergänzt durch eigene Sichtungen