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Orgel: Salzatal / Fienstedt – St. Stephanus

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Gebäude oder Kirche

St. Stephanus

Konfession

Evangelisch

Ort

Salzatal / Fienstedt

Postleitzahl

06198

Bundesland / Kanton

Sachsen-Anhalt

Land

Deutschland

Bildergalerie + Videos

 

Johannes Richter – Salzatal/Fienstedt (D-ST) – ev. Kirche St.Stephanus – Einzel- und Vollgeläut (Turmaufnahme)

Ungehört – ungespielt – stiller Klang 1: Salzatal/Fienstedt, ev. Kirche St.Stephanus



Bildrechte: Datenschutz

Orgelgeschichte

um 1750 Einbau einer barocken Orgel durch einen noch unbekannten Erbauer mit I/14
1828 Reparatur der Orgel
1845 erneute Revision
1853 Untersuchung durch August Ferdinand Wäldner, der die Orgel für „in allen Teilen desolat“ befand
1856 Vertragsabschluss mit Wäldner über eine neue Orgel
1858 Neubau einer mechanischen, vorderspieligen Schleifladenorgel mit fest eingebautem Spielschrank II/13 durch August Ferdinand Wäldner (Halle) samt neuem Prospekt.
1917 Abgabe der Prospektpfeifen.
1920er Jahre Ersatz der Prospektpfeifen durch Zinkexemplare durch die Werkstätte Rühlmann (Zörbig).
Ab ca. 1970 keine weitere Pflege der Orgel, das Instrument verfällt zunehmend.

Die Orgel ist heute quasi unspielbar und durch starken Holzwurmbefall empfindlich geschädigt und bedroht.

Die Wäldner-Orgel von 1858 in Fienstedt fügt sich, obgleich ihr spätklassizistischer Rundbogenprospekt nicht ganz dem Stil der restlichen Einrichtung entspricht, harmonisch und unauffällig in den Raum ein, wenn auch die Zink-Prospektpfeifen einiges an Glanz und Qualität eingebüßt haben. Das Werk selbst ist eine für die Werkstatt aus Halle typische Schleifladenorgel, deren Werke über Wellenbretter angesteuert werden. Das Hauptwerk befindet sich vorne, hinten an der Wand das Pedal und darüber das Oberwerk. Alle Werke sind in C- und Cis-Seite geteilt. Die Disposition zeigt den klassischen Aufbau einer Wäldner-Orgel. Über den Klang des Werkes an sich können aus später aufgeführten Gründen keine Schlüsse gegeben werden. Ein starkes Hauptwerk ist einem aus diesem abgesplitteten leisen Oberwerk gegenüber gestellt, dessen Register die des Hauptmanuales eher ergänzen und differenzieren, statt ihnen entgegengestellt zu sein (Prinzip „geteiltes Hauptwerk“). Im ersten Manual findet sich eine klassische, starke Principalpyramide bis hin zur Mixtur, abgerundet durch ein Gedackt 8′ und ein Gedackt 4′, grundiert durch einen ab C ausgebauten Bordun 16′. Im zweiten Manual stehen zwei romantische Charakterstimmen in der 8′-Lage (Streicher und Flöte), die so auch das Hauptwerk durch die Manualkoppel ergänzen und ausdifferenzieren können. Ergänzt werden sie durch eine Flöte 4′ leiser Bauart, sicher deutlich weicher als das Gedackt 4′ des Hauptmanuales. Das Pedal wiederum trägt mit zwei 16′-Registern (und das bei nur 13 Stimmen!) in offener und gedeckter Bauweise massiv den Klang, ergänzt durch einen konturierenden, starken Principal 8′. Alle Pedalregister sind wie bei Wäldners kleineren Orgeln typisch aus Kiefernholz gefertigt.
Der Zustand der Orgel, die nie einen elektrischen Winderzeuger besaß, ist erschreckend schlecht. Sowohl im Inneren, als auch im Bereich des Spieltisches und der gesamten Spielanlage ist starker und aktiver Holzwurmbefall sichtbar, der das Pfeifenwerk zutiefst angreift und schädigt. Einige Tasten hängen und klemmen, die Filze sind hart und ausgespielt und die gesamte Traktur unreguliert. Die Windanlage, schon immer per Hand betrieben, weist schwere Schäden und Undichtigkeiten auf, sodass die wenigen noch erzeugbaren Klänge stark windstößig, bis zum Verebben durch den permanenten Windverlust sind. Das Balgleder ist spröde und rissig, die gesamte Kanalanlage durch den Holzwurm ebenfalls beschädigt, was für eine massive Geräuschentwicklung beim Betätigen des Schöpfers sorgt. Dass die Orgel stark verstimmt ist, ist hier wohl der kleinste Mangel. Angesichts der vielen wunderschönen Wäldner-Orgeln wäre es für die leider sehr selten genutzte Kirche in Fienstedt ein wunderbares Glück und ein großer Gewinn, wenn die Wäldner-Orgel diesen Raum wieder mit Klang erfüllen dürfte, auch wenn dies heute (leider) in weiter Ferne und unerreichbar erscheint.

Disposition

Disposition der Wäldner-Orgel (1858)

Manual I – Hauptwerk C – f“‘

Bordun 16 Fuß

Principal 8 Fuß

Gedackt 8 Fuß

Octave 4 Fuß

Gedackt 4 Fuß*

Octave 2 Fuß

Mixtur 3 fach.

Manual II – Oberwerk C – f“‘

Flauto traverso 8 Fuß

Viola di Gamba 8 Fuß

Flauto amabile 4 Fuß

Pedal C – c‘

Subbaß 16 Fuß

Violonbaß 16 Fuß

Princip. Baß 8 Fuß

*-Registerschild durch Übermalung unleserlich, Name aufgrund anderer Dispositionen der Firma ergänzt 

Disposition der Barockorgel (1750, unbekannter Erbauer)

Manual (Umfang unbekannt)

Gedackt 8′

Quintatön 8′

Principal 4′

Rohrflöte 4′

Nassat 3′

Octave 2′

Waldflöte 2′

Tertie 1 3/5′

Mixtur 3fach

Cornett 3fach

Trompeta 8′

Pedal (Umfang unbekannt)

Subbaß 16′

Principalbaß 8′

Posaune 16′

Spielhilfen

Als Registerzüge links unten: Pedal coppel [I/P], Manual coppel [II/I]

Als Registerzug rechts unten: Calcant Glocke [heute außer Funktion]+

Gebäude oder Kirchengeschichte

12./13. Jahrhundert Bau einer ersten Kirche.
14. Jahrhundert Guss der heutigen großen Glocke durch einen unbekannten Gießer.
15. Jahrhundert Umbau und Anfügung des dreiseitigen Chorabschlusses.
Um 1500 Bau des Turms
1662 – 1663 Erneuerung der Kirche nach schweren Schäden im Dreißigjährigen Krieg.
1702 Erneuerung des Turmes und Aufsatz der Glockenstube samt welscher Haube.
1730 Erneuerung der Kirche unter Heinrich Franziskus II., davon kündet eine Steintafel im Eingang zum Kirchenschiff.
1914 „im Jahre des Weltkrieges“ erneute Restaurierung bzw. Instandsetzung.
1917 Abgabe zweier Glocken als Kriegsopfer.
1922 Guss zweier Eisenglocken durch Ulrich&Weule (Apolda-Bockenem).
Um 1970 schlechter Zustand, u.a. fast vollständige Zerstörung der Turmhaube (siehe Foto).
Ab ca. 1990 Restaurierung unter Einbeziehung der örtlichen Kräfte.

Die Stephanikirche in Fienstedt ist wohl eine der am reichsten und prunkvoll ausgestatteten Kirchen in der Region des Salzatales (womöglich auch des Saalekreises) und kündet vom ehemaligen Wohlstand des großen Bauerndorfes. Auf einer Anhöhe über dem Dorf thronend zeigt das Bauwerk für ein Dorf immense Ausmaße. Die Kirche ist als einschiffiger Kirchsaal mit dreiseitigem Ostabschluss quasi in die Anhöhe des ehemaligen Kirchhofes hinein gebaut, der Turm steht eingezogen im Westen und besitzt auf einem quadratischen Untergeschoss eine oktogonale Glockenstube mit kleinen Schallfenstern, sowie eine welsche Haube samt aufgesetzter Laterne. Das Kirchenschiff, dessen Mauern durch rechteckige Fenster durchbrochen werden, trägt ein Satteldach. Durch einen 1730 geschaffenen Anbau betritt man das Gotteshaus. Über dem Eingang zum Kirchenschiff prangt eine Inschrift mit Angaben der Restaurierungsjahre in Latein (1730) und Deutsch (1914) sowie dem Patrozinium der Kirche (St.Stephano, sic!). Im Innenraum wird der Besucher mit einer für diese Region überreich beeindruckenden Ausstattung überrascht. Die Wände des Gotteshauses sind weiß gestrichen und vermitteln einen hellen und freundlichen Raumeindruck. Eine flache, reich mit Stuckatur verzierte Tonnendecke überspannt den Raum, die neben floraler Ornamentik große Zierkartuschen mit Bibelworten trägt. Der Blick des Betrachters wird dadurch auf den qualitätvollen, 1730 entstandenen Hochaltar gelenkt. Zwei runde und zwei eckige Säulen mit marmorierender Malerei und korinthischen Kapitellen flankieren den Kanzelkorb, dessen Zierkartusche die Worte „Friede auf Erden 1871 1914“ trägt. Zwei Putten tragen den reich mit Gesimsen verzierten Giebel, der durch eine Darstellung des Gottesauges im Dreieck vor einem Wolkenhintergrund sowie Blitzen durchbrochen und gleichsam gen Himmel geführt bekrönt wird. Diese Krone des Altars flankieren ebenfalls zwei Putten, eine mit den Tafeln der 10 Gebote, die andere Putte mit dem Kreuz. Auf beiden Seiten des Altars stehen zwei lebensgroße Heiligenfiguren. Die Predella zeigt eine Malerei von Christus mit zwei Jüngern beim Abendmahl. Die Wangen des Altars sind mit Rebenwerk und anderem floralem Schnitzwerk versehen, die Farbfassung ist hell mit goldenen Akzenten. Die seitlichen Anbauten des Altars mit den Gittertüren entstammen der Zeit um 1662. Das Taufgestell zeigt kunstvolle Akanthus-Schnitzerei. Die Empore ist doppelt ausgeführt und umspannt u-förmig den Raum. Ihre Zierfelder, durch die tragenden Säulen untergliedert, tragen hochwertige Stuckatur, teils floral, teils biblische Attribute zeigend, teils Zierkartuschen mit heute verblichener Schrift umrahmend. Unter der Orgel im Westen prangt gleichsam als Gegenstück der himmlischen Macht, das Wappen der irdischen Macht, das der Grafen von Mansfeld, die diese prunkvolle Ausgestaltung der Kirche finanzierten und ermöglichten. Der geschwungen klassizistische Orgelprospekt bietet ein wirkungsvolles Gegenstück zum weiteren Inneren, dem eine häufigere Nutzung zu wünschen wäre, da der Innenraum der Stephanikirche Fienstedt zu den hochwertigsten und prachtvollsten der Region zu zählen ist!

Anfahrt

Quellenangaben


Orgelbeitrag erstellt von:

Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter – eigene Sichtung und Aufnahme, ergänzt durch Informationen aus: W. Stüven – Orgel und Orgelbau im Halleschen Land vor 1800, Breitkopf&Härtel, Wiesbaden 1964
Kirchengeschichte: Johannes Richter – ergänzt durch Aushänge in der Kirche
Historische Disposition in: W. Stüven – Orgel und Orgelbau im Halleschen Land vor 1800, Breitkopf&Härtel, Wiesbaden 1964, S.100

Videos von Johannes Richter auf dem Youtube-Kanal JRorgel

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