Orgel: Querfurt / Leimbach – St. Matthäus (auch: St. Matthias)
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Die wertvolle Orgel feiert 2024 ihren 300. Geburtstag. Möglicherweise ist sie das einzige Zeugnis ihres Erbauers Johann Georg Papenius, Mitglied der weitverzweigten, gleichnamigen Orgelbauerfamilie. Leider müssen die finanziellen Mittel der rührigen, aber kleinen Ortsgemeinde anderweitig als in die Orgelsanierung investiert werden, auch wenn man um den Wert der Orgel weiß. Es wäre zu wünschen, dass das womöglich einzige Werk Johann Georg Papenius‘ wieder erklingen darf, wenngleich auch in verändertem, romantisiertem Zustand.
Gebäude oder Kirche
St. Matthäus (auch: St. Matthias)Konfession
EvangelischOrt
Querfurt / LeimbachPostleitzahl
06268Bundesland / Kanton
Sachsen-AnhaltLand
DeutschlandBildergalerie + Videos
Orgelgeschichte
1724 Neubau einer vorderspieligen mechanischen Schleifladenorgel I/9 mit Spielschrank durch Johann Georg Papenius/Stolberg mit neuem barocken Prospekt und zwei Keilbälgen hinter der Orgel.
Um 1860 Einbau neuer Registerschilder, leichte Änderung der Disposition (vermutl. durch August Apel/Querfurt) – Ersatz von Mixtur 3fach durch Bordun 16′ ab c°, Einbau von Cornett 4fach statt Terz 1 3/5′ oder Sifflöte 1′, Viola di Gamba statt Quinte 2 2/3′ und Flauto traverso 8′ statt Flöte 4′ (Vermutungen anhand der Dispositionen anderer Orgeln der Zeit im Vergleich zu Orgeln um 1850) – Änderung des Pedalumfanges wegen Stimmtonänderung zu D, Dis-c‘ statt C, D-c‘ (nachweisbar durch Pedaltraktur).
1917 Abgabe der Prospektpfeifen.
Um 1923 Einbau von Zinkpfeifen in den Prospekt.
1950 Abtragung und Reinigung, Anstrich des Pfeifenwerkes mit Xylamon durch Fa. Hildebrandt/Roßleben b.Artern a.d.Wiehe.
1958 Wartung durch Fa. Hildebrandt/Roßleben (letzte Wartung der Orgel).
2022 die Orgel ist nicht spielbar, aber vorhanden. Die Orgel erhielt nie einen elektrischen Winderzeuger.
Kurze Beschreibung der Orgel:
Das Instrument von Leimbach wurde 1724 durch Johann Georg Papenius aus Stolberg erbaut. Möglicherweise ist sie sein einziges Werk, andere Orgeln sind bis dato von Johann Georg nicht überliefert. Um 1860 erfolgte ein Umbau mit neuen, romantischen Stimmen und Änderung der Stimmtonhöhe, vermutlich durch Apel/Querfurt. 1950 wurde die gesamte Orgel mit Xylamon behandelt und gereinigt, 1958 wurde sie nochmals und letztmalig durchgesehen. Seit ca. 20 Jahren schweigt das kleine Werk mit 9 Stimmen. Die Orgel steht hinter einer fünfteiligen Prospektfront auf der obersten Empore. Ein halbrunder Mittelturm wird durch seitlich aufwärts schwingende Harfenfelder flankiert, dazwischen befinden je zwei kleine übereinander angeordnete Flachfelder mit floralem Schleierwerk. Auch die übrigen Schleierbretter sind floral geschnitzt und zudem vergoldet. Zwei Ziervasen sind links und rechts auf das Gesims aufgesetzt, seitlich umrahmt feines Blattschnitzwerk das Gehäuse. Die Schaufront besitzt eine Tiefe von ca. 50-70cm, dahinter ist das Gehäuse als schlichter, ca. 1,90 hoher Verschlag aus Brettern ausgeführt. Ganz hinten an der Rückwand der Kirche stehen quer zwei übereinander angeordnete Keilbälge mit links befindlichen Tritten für den Kalkanten.
Der Zugang ins Innere erfolgt über seitliche Türen. Die Windlade des Pedals steht ebenerdig hinten, das erhöht hinter der Schaufront stehende Manualwerk besitzt ein Gangbrett. Die Windladen sind in C- und Cis-Seite geteilt. Der Spieltisch ist ein frontaler Spielschrank mit seitlichen Türen, von denen die Linke heute ausgehängt ist. Die Registerzüge sind als beidseitige gedrechselte Manubrien mit weißen Porzellanschildern gebaut. Die Schilder sind in schwarzer, in der Region u.a. bei Schönburg, Apel und Hellermann gebräuchlichen Kursivschrift bezeichnet. Der Registerzug „Vacat“ bedient ein Ventil im Windkanal zum Manual (Sperrventil/Tremulant?). Die Untertasten des Manuals bestehen aus Ebenholz, die Obertasten sind mit Bein belegt. Die Pedalklaviatur reicht heute nur von D-c‘ – im Inneren hinter dem Spieltisch sind im Winkelbalken und Vorsatzbrett noch Öffnungen für die Taste „C“ zu sehen.
Die Orgel ist vollständig erhalten, zwei Holzpfeifen liegen am Boden der Empore. Das ganze Werk ist stark verschmutzt und verdreckt, aber nicht von Wurmbefall betroffen (Xylamon sei dank?). Alle Pfeifen sind vorhanden. Die Trakturen sind intakt und nicht beschädigt, bedürfen aber einer vollständigen Überholung. Die Manualklaviatur zeigt in den Obertasten Spuren von Wurmfraß. Die Windladen sind in gutem Zustand. Metallpfeifen sind teilweise verbeult, in den offenen Pfeifen liegt viel Staub und Schmutz. Der Zustand der Balganlage konnte nicht beurteilt werden. Die Prospektpfeifen aus Zink sind in gutem Zustand, sollten aber farblich erneuert werden. Auch sie müssen gereinigt werden. Die Stabilität des seitlichen Gehäuses muss verbessert werden. Ein elektrischer Winderzeuger für die bislang nicht elektrifizierte Orgel wäre ein Gewinn. Leider besteht derzeit wenig Hoffnung auf eine Spielbarmachung des wertvollen Werkes, da diese Mittel in Anbetracht der kleinen Gemeinde anderweitig sinnvoller verwendet werden können.
Das wertvolle Werk, welches 2024 seinen 300. Jubiläum feiert, wird daher wohl weiterhin stumm bleiben müssen, auch wenn die Gemeinde um seinen Wert weiß.
Disposition
Disposition 2022
Manual C D – c“‘Bordun 16 Fuß. [ab c] Gedackt 8 Fuß. Flauto traverso 8 Fuß. Viola di Gamba 8 Fuß. Principal 4 Fuß. Octave 2 Fuß. Cornett 4fach
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Pedal D – c‘ (bis ca. 1860 C D – c‘)Subbaß 16 Fuß. Princip : bass 8 Fuß. [sic]
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Anmerkung des Autors: Der etwas merkwürdig anmutende Pedalumfang ist korrekt – siehe Fotos. Er ist bedingt durch die um 1860 erfolgte Änderung der Stimmung, weshalb im Pedal D,Dis-c‘ statt C,D-c‘ zustande kam. Durch Winkelbalken und Pedaltraktur ist das ehemals vorhandene C nachweisbar.
Spielhilfen
Als Registerzüge rechts unten, innen: Klingel. [Kalkantenruf], Pedal=Coppel.
Als Registerzug links unten, innen: Vacat.
Gebäude oder Kirchengeschichte
Um 1022 erste Kirchengründung in Leimbach – Errichtung einer kleinen Kapelle, die dem Evangelisten Matthäus geweiht ist. St. Matthäus ist auch der korrekte Name des Bauwerkes, welches vielfach als „St. Matthias“ geführt wird.
Um 1200 Erweiterung zu einer romanischen Chorturmkirche mit massivem Ostturm und Apsis.
14. Jahrhundert Umbau im gotischen Stil. Die Apsis wird entfernt, stattdessen der Turmraum mit einem Kreuzgewölbe versehen und ein großer, spitzbogiger Triumphbogen zum Kirchenschiff hin errichtet.
1503 Guss einer ersten bekannten Glocke durch einen unbekannten Gießer.
Um 1630 Schäden an der Kirche durch den dreißigjährigen Krieg.
Nach 1650 Reparatur der Schäden.
1720 erfolgt eine groß angelegte Umgestaltung des Bauwerkes – das Kirchenschiff wird vergrößert und um eine Loge auf der Südseite erweitert, wo sich vermutlich früher eine Sakristei befand – ein vermauerter Rundbogen ist hier noch sichtbar. Desweiteren Einbau einer Holztonne als Gewölbe, Einbau der doppelgeschossigen Emporen und eines Kanzelaltares.
1860 farbliche Umgestaltung des Innenraumes, Umgestaltung bzw. klassizistische Überformung des Kanzelaltares.
1886 Guss dreier Glocken durch Gießerei Ulrich/Laucha.
1917 Abgabe der Glocken zu Rüstungszwecken.
1930 Guss von drei Eisenhartgussglocken (Nominalfolge: as‘-c“-es“ – leicht verzogen) durch Schilling&Lattermann.
1995/96 Sanierung der Kirche mithilfe von Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz – im Zuge dessen auch Einrichtung einer Winterkirche im Emporengeschoss der Loge.
2022 die Kirche wird regelmäßig genutzt.
Anfahrt
Quellenangaben
Orgelbeitrag erstellt von: Johannes Richter
Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter, Sichtung vor Ort, ergänzt durch Informationen von H. Rotermund
Kirchengeschichte: Johannes Richter, Sichtung vor Ort, ergänzt durch Informationen aus einem Beitrag der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, abgerufen am 22. Dezember 2022 und www.inschriften.net, Suchbegriff „Leimbach“, abgerufen am 22. Dezember 2022