Orgel: Merseburg – St. Viti (Altenburger Kirche)
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Gebäude oder Kirche
St. Viti (Altenburger Kirche)Konfession
EvangelischOrt
Merseburg / AltenburgPostleitzahl
06217Bundesland / Kanton
Sachsen-AnhaltLand
DeutschlandBildergalerie + Videos
Orgelvorstellung 28 KOMPAKT – Merseburg – Altenburger Pfarrkirche St. Viti | Tour of Stops
YouTube-Kanal JRorgel von Johannes Richter – 17. Februar 2024
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Orgelgeschichte
1696 Errichtung einer Orgel durch Zacharias Thayßner/Merseburg mit barockem Prospekt, I/P auf mechanischen Schleifladen. Das Instrument scheint bereits ab Beginn nie wirklich überzeugt zu haben.
1830 Schenkung der Orgel der Schlosskirche Sangerhausen an die Merseburger Gemeinde, zu der auch die Dorfkirche Meuschau zählte. Das Tayßnersche Werk scheint also sehr marode gewesen zu sein. Die Schenkung oblag König Friedrich Wilhelm III. Der Prospekt der Orgel aus Sangerhausen wurde in Meuschau nebst Teilen wie dem Pedalwerk der Thayßner-Orgel eingebaut.
1831 führte Orgelbauer Lochmann aus Delitzsch die Arbeiten aus und führte die Orgelteile in St. Viti zusammen. Es entstand ein mechanisches Instrument mit 15 Stimmen auf einem Manual und Pedal. Teile beider Orgelwerke wurden verwendet. In den Akten heißt es dazu: „(Lochmann) stellte damit eine neue Orgel aus zwei alten Werken, mit Hinzufügung einiger neuer Stimmen, auch ganz veränderter innerer Einrichtung, mit seltener Geschicklichkeit und Accuratesse sehr solide her“.
1863 Reparatur der Orgel durch Carl Joseph Chwatal/Merseburg, dabei Erweiterung auf II/P und Einbau eines Schwellkastens mit Türenschweller und Schwelltritt für Manual II
1905 große Erneuerung der Orgel durch Bernhard Chwatal/Merseburg – Umstellung des Werkes auf pneumatische Trakturen, Umdisponierung – II/18 auf pneumatischen Knopfventilladen, 10 der 18 Register stammten neu aus der Werkstatt Chwatals.
1917 Abgabe der Prospektpfeifen aus Zinn zu Rüstungszwecken
nach 1920 Einbau von Zinkpfeifen in den Prospekt.
1931 Tausch eines Gedackt 8′ gegen Quintadena 8′ durch Wilhelm Rühlmann jun./Zörbig
1935 Abbau der Orgel wegen Renovierung der Kirche durch Orgelbau Rudolf Kühn/Merseburg – Reparatur, Reinigung und Umdisponierung.
1936 Aufstellung in der renovierten Kirche mit II/18, Quintade 8′ und Gemshorn 4′ wurden neu gebaut.
1959 Renovierung der Orgel durch Reinhard Adam/Halle – Umgestaltung des Spieltisches (neue Registerwippen etc.), Umdisponierung, Erweiterung und Behandlung gegen Wurmbefall – II/22 auf pneumatischen Kegelladen (Knopfventilladen). Vier Register wurden nach den Windladen im Schwellwerk zu urteilen nur am Spieltisch angelegt, aber nie eingebaut. Gleiches gilt auch für eine Koppel.
2010/11 Reinigung und Nachtintonation sowie Instandsetzung durch Scheffler/Sieversdorf
2024 Orgel vorhanden und gut spielbar – vier Register im 2. Manual sind nicht spielbar, waren eventuell nur vorbereitet? Die Registerschalter sind abgeklebt. II/22 geplant, II/18 spielbar (Blockflöte 4′, Nachthorn 2′, Sesquialtera 2fach und Sifflöte 1′ sind abgeklebt)
Beschreibung der Orgel
Der aus dem Jahr 1696 stammende Prospekt weist sehr harmonische Proportionen und eine ausgewogene Schnitzzier auf, deren Qualität nach Meinung des Autors – im Gegensatz zum damaligen darinnen stehenden Orgelwerk – sehr hoch ist. Ein Großteil des heutigen Pfeifenbestandes geht auf den Umbau Bernhard Chwatals im Jahre 1908 zurück, als er zehn der 18 Stimmen neu baute. Die durchschlagende Oboe im zweiten Manual und die Posaune stammen unzweifelhaft ebenso von ihm wie die füllige Rohrflöte 8′ im ersten Manual. Das ganze Werk steht auf pneumatischen Kegel- bzw. Knopfventilladen – diese waren eine durch Carl Joseph und Bernhard Chwatal weiterentwickelte Form der Kegellade und wurden, zunächst in mechanischer Bauweise, unter anderem in Burgliebenau verbaut. Der Schwellkasten des zweiten Manuales dürfte auf die Reparatur durch Carl Joseph Chwatal 1863 zurückgehen. Friedrich Ladegast hatte bereits 1855 einen solchen Schwellkasten in der Domorgel eingebaut und es ist davon auszugehen, dass Carl Joseph als Merseburger Orgelbauer die Funktionsweise dieser Einrichtung kannte. Bemerkenswert ist, dass der Schwelltritt (dessen Form und Anlegung als Löffeltritt gegen das Jahr 1908, wohl aber für 1863 spricht) in zwei Positionen arretierbar ist (geschlossen und halb geschlossen). Selbst Wilhelm Sauer verwendete im Jahre 1883 in Wernigerode nur einen Löffeltritt mit zwei Positionen (offen oder geschlossen).
Der Spieltisch ist frontal als Spielschrank angelegt und erhielt seine heutige Gestalt im Zuge der Restaurierung durch Reinhard Adam 1959. Vier Register wurden zwar am Spieltisch geplant, aber nie gebaut. Sie sind stumm, auch im Schwellkasten des zweiten Manuales findet sich kein Hinweis auf das Vorhandensein von Blockflöte 4′, Nachthorn 2′, Sesquialtera 2fach oder Sifflöte 1′. Hier wurde scheinbar eine spätere Erweiterung auf zwei Manuale und 22 Register vorgesehen. Adam legte die Octavkoppel, die Bernhard 1908 einbaute, still. Das Hauptwerk steht vorne hinter dem Prospekt, das Pedal dahinter ebenerdig auf einer chromatischen Windlade. Das zweite Manual steht hinter dem Pedal auf der Höhe des Hauptwerkes, der Schwellkasten besitzt statt der heute üblichen Jalousien einfache, bewegliche Holztüren.
Der Zustand des Instrumentes ist als sehr gut zu bezeichnen, die Intonation ist ausgewogen und farbig.
Disposition
Disposition 2024
Manual I – Hauptwerk C – f“‘Bordun 16′ (C-D 5 1/3′ gedeckt, ab D# 16′ gedeckt) Prinzipal 8′ (offen ab C, ab G Prospekt, Zink) Rohrflöte 8′ Oktave 4′ Flöte 4′ Prinzipal 2′ Quinte 1 1/3 (sic) Mixtur 3f. 1 1/3 (sic, rep. c°, c‘, c“)
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Manual II – Hinterwerk (schwellbar) C – f“‘Flaute 8′ Gedackt 8′ (handschriftlich überklebt, früher Quintadena 8′) Gemshorn 4′ Blockflöte 4’* Oktave 2′ Nachthorn 2’* Sifflöte 1’* Sesquialtera 2f.* Cymbel 1/2 1/4 (sic, 2fach, rep. G, g°, g‘, g“) Oboe 8′ (durchschlagend)
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Pedal C – d‘Subbass 16′ Oktavbass 8′ Choralbass 4′ Posaune 16′ |
Disposition nach Umbau B. Chwatal gemäß D. Ulrich/M.Rath
Manual I – Hauptwerk C – f“‘Bordun 16′ Principal 8′ Rohrflöte 8′ Gamba 8′ Octave 4′ Flöte 4′ Octave 2′ Mixtur 3fach
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Manual II – Hinterwerk (schwellbar) C – f“‘Geigenprincipal 8′ Liebl. Gedackt 8′ Flauto Traverso 8′ Salicional 8′ Gemshorn 4′ Oboe 8′ |
Pedal C – d‘Violon 16′ Subbaß 16′ Octavbaß 8′ Posaune 16′ |
Disposition ab 1831 (Umbau Lochmann) gemäß H. Brülls
Manual C – c“‘Principal 8′ Quintatön 8′ Gedackt 8′ Flauto traverso 8′ Octave 4′ Spitzflöte 4′ Gedackt 4′ Octave 2′ Superoctave 1′ Mixtur 4fach Cornett 4fach
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Pedal C – c‘Violon 16′ Subbaß 16′ Octavbaß 8′ Violon 8′ |
Spielhilfen
Spielhilfen 2024
Registerschalter mittig links: II-I, I-P, II-P, 1 leerer Schalter
Züge über den Registerschaltern: Freie Kombination
Zug ganz rechts außen: Zungen ab
Drücker unter Manual I: H. an (Handregister, weiß), F. an (Freie Komb. an, grün), Aus (rot, Auslöser), Org-pleno (sic, weiß), Tutti (weiß)
Fußtritt rechts über dem Pedal: Schwelltritt (Löffeltritt) für Schweller II – zum Einrasten in zwei Positionen (geschlossen – halb geschlossen).
Wenn der Schweltritt nicht eingerastet ist, ist der Schweller offen.
Spielhilfen bis 1959
Manualkoppel, Pedalkoppel I/P, Pedalkoppel II/P, II/I super, Rohrwerke ab, Kalkant, Auslöser, drei feste Kombinationen (p, mf, tutti), Schwelltritt II
Spielhilfen ab 1831
Kalkant, Pedalkoppel
Gebäude oder Kirchengeschichte
1270 urkundliche Ersterwähnung der Kirche St. Viti. Aus dieser Zeit datiert der Westturm. Die Kirche wurde als Pfarrkirche genutzt.
13. Jahrhundert Erweiterung und Umbau der Kirche.
1502/03 finden Baumaßnahmen an der Kirche statt, wie durch Urkunden im Zusammenhang mit Ablaßhandel (Aufforderung der Bürger zur Mithilfe an der Kirche) deutlich wird.
1688 (inschriftlich) Neubau der „Weiber-Stühle“, der „Unter-Por-Kirche“ und des „Ober-Eingang“
1692 wird der dreiseitige Chorraum errichtet („ist gegen Morgen aus ein Stück angebauet ingl. der Altar, Cantzel, Beichtstuhl…“) und der Turm ausgebessert. Wie aus der Inschrift hervorgeht, („ingl.“ meint „insgleichen“, also zugleich) stammen auch Altar und Kanzel aus dem Jahr 1692.
1692 Ausmalung der Kirche durch Meister Anthonius Gärtner auf dessen eigene Kosten. Die reichen Emporenbilder stammen vermutlich aus seiner Hand. Sie zeigen an der unteren Empore einen Zyklus des Lebens Jesu und auf der oberen Empore Darstellungen der „Kleinen Propheten“ des alten Testamentes. Die Ausstattung stammt vermutlich aus dem Umkreis Michael Hoppenhaupts, der 1751 starb und auf dem Friedhof mit einem Epitaph von 1722 aus seiner Hand nachweisbar ist.
1696 Errichtung des „Schülerchores“.
1925 wird die Südseite der Kirche neu verputzt, dabei traten vermauerte Fensteröffnungen auf, die heute wieder sichtbar sind (s. Fotos!)
1934-36 Restaurierung der Kirche, dabei wird die Holztonnendecke des Kirchenschiffes bis in den Chorraum verlängert.
1971/72 Sanierung der Kirche, dabei wurden Chor- und Schülerempore sowie das obere Emporengeschoss entfernt. Die Sakristei wird abgebrochen. Die Kanzel wird restauriert, ebenso der Altar und die Emporenbilder. Die der entfernten Empore werden im Kirchenraum aufgehängt (Bilder der Propheten).
2024 die Kirche ist in gutem Zustand und wird regelmäßig genutzt.
Anfahrt
Quellenangaben
Orgelbeitrag erstellt von: Johannes Richter
Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter, Sichtung und Spiel 2024
Orgelgeschichte: Johannes Richter, Sichtung vor Ort und Spiel, ergänzt durch Informationen aus:
– D.Ulrich/M.Rath: Orgeln im KK Merseburg. PDF-Datei, 2016
– Ramm, Peter: Ramm, Peter: Merseburgs mittelalterliche Pfarrkirchen. Janos Stekovics (Hrsg.) Kulturreisen – Journal für Kulturgeschichte und Kunst, Band 17. 2022, Steko-Verlag, S.72 – 105
– Holger Brülls: Ladegast-Orgeln in Sachsen-Anhalt. Michael-Imhof-Verlag 2005.
Kirchengeschichte:
-Ramm, Peter: Merseburgs mittelalterliche Pfarrkirchen. Janos Stekovics (Hrsg.) Kulturreisen – Journal für Kulturgeschichte und Kunst, Band 17. 2022, Steko-Verlag, S.72 – 105
–Beitrag zur Kirche auf ekmd.de, abgerufen am 13. Februar 2024