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Orgel: Lutherstadt Eisleben / Rothenschirmbach – Autobahnkirche St. Pankratius

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Gebäude oder Kirche

Autobahnkirche St.Pankratius

Konfession

Evangelisch

Ort

Lutherstadt Eisleben / Rothenschirmbach

Postleitzahl

06295

Bundesland / Kanton

Sachsen-Anhalt

Land

Deutschland

Bildergalerie + Videos



Bildrechte: Datenschutz

Orgelgeschichte

1894 Neubau der heutigen vorderspieligen Orgel mit pneumatischen Kegelladen als Opus 149 der Firma Wilhelm Rühlmann (Zörbig) mit 15 Registern auf zwei Manualen und Pedal.
1917 Abgabe der Prospektpfeifen zu Rüstungszwecken und Ersatz durch Zinkpfeifen.
1951 Pflege der Orgel durch Fa. Hildebrandt/Roßleben b. Artern a.d.Wiehe
1956 erneute Stimmung und Pflege durch Hildebrandt
1958 Wasserschaden in den „Windkästen“, dadurch wird die Orgel unspielbar
1961 Regen führt zu einem „totalen Wasserschaden“, infolgedessen Abtragung der Orgel und neue Belederungen durch Hildebrandt/Roßleben
1962 erneuter Wasserschaden im August, Abtrennung des Oberwerkes
2023 die Orgel ist erhalten und in Hauptwerk und Pedal teilweise spielbar. Die Registratur weist einige Fehlfunktionen auf. Das Oberwerk ist abgetrennt.

Die 149. Orgel aus der Zörbiger Orgelbauwerkstatt Rühlmann erscheint äußerlich als Teil des Raumgesamtkunstwerkes in einem kubisch-kantigen neoromanischen Prospekt, dessen sechs Flachfelder noch entfernt an den Werkaufbau einer barocken Orgel erinnern. Zwei hohe Seitenfelder flankieren je zwei übereinander angeordnete kleinere Flachfelder, welche das Hauptwerk bzw. Oberwerk andeuten – wobei die Unteren durch Pfeifen in Überlänge einen geraden Abschluss aufweisen, die Oberen jedoch einen zur sonstigen Architektur der Kirche korrespondierenden Halbbogenabschluss – ebenso wie die flankierenden äußeren Felder. Dadurch ergibt sich ein zur Decke strebender, schlanker und unauffälliger Eindruck des Prospektes, der durch die die Felder umrahmenden angedeuteten Säulen und die Filialen auf dem Prospekt noch verstärkt wird, ohne die Orgel als wichtiger Bestandteil des Gesamtkunstwerkes dem Sichtfeld des Betrachters zu entrücken. Die stilisierte Arkadenreihe in Halbbogenform über den Pfeifenfeldern schafft dabei eine den Blick und den Eindruck des Prospektes stabilisierende Querstrebe. Der angedeutete Werkaufbau täuscht jedoch teilweise – zwar sind die Werke übereinander angeordnet, allerdings
über die gesamte Breite des Prospektes aber noch ganz „klassisch“ in C- bzw. Cis-Seite aufgeteilt. Das Hauptwerk steht unten, darüber das Oberwerk leicht zurückgestellt. Hinter dem Stimmgang in chromatischer Aufstellung an der Rückwand der Kirche befindet sich das Pedal. Bemerkenswert ist die geordnete Verlegung der Leitungen für die Pneumatik. Diese bestehen hier noch aus Messing und ist so verlegt, dass sie an Abstrakten der mechanischen Orgel erinnern. Es entstehen somit keine dicken Bündel aus ebenjenen Leitungen, wie es für spätere pneumatische Orgeln typisch ist, sondern ein äußerst geordneter Eindruck des Inneren. Das Oberwerk ist dabei schon seit längerer Zeit durch Abtrennen des Windkanals stillgelegt.
Das Instrument zeigt sich als typisches Werk der Zörbiger Werkstatt und lässt damit den Vorwurf, dass Rühlmann „standardisierte“ Dispositionen baute, verständlich werden. Doch gründet sich diese Art der Disponierung nicht auf „Standardisierung“, sondern vielmehr auf großes Verständnis der Erbauer für den Raum, seinen Klang und dessen akustischen Gegebenheiten. Einem klanglich stark disponierten Hauptwerk mit den Principalen zu 8 und 4 Fuß sowie der dreifachen Mixtur – abgestuft durch zwei weitere Charakterstimmen im Achtfußbereich – und ein weich perlendes Gedackt 4′, grundiert durch Bordun 16′ ab G wird ein mit romantischen weichen Farbstimmen disponiertes Oberwerk entgegen gestellt. Das Oberwerk erfährt durch einen Geigenprincipal 8′ etwas Gewicht und durch die weiche Flöte 4′ leichte Aufhellung. Gegründet wird der Klang auf das kräftige Pedal mit dem Violon 16′ mehr als ausreichend tragfähig und durch den Principal 8′ noch weiter ausbaufähig. Dass das Pedal nur die Stützfunktion gewährleisten kann, sollte klar sein – die weitere Aufhellung muss durch die Pedalkoppel erfolgen. Apropos: an die „alte“ Art der Disponierung erinnert die Anlage der Koppeln. So ist nur das erste Manual ans Pedal koppelbar (so wie es auch bei Ladegast, Rühlmanns Lehrmeister oft ausgeführt ist), das zweite Manual allerdings nicht. Auch die Spielhilfen sind mit drei festen Kombinationen samt Auslöser auf das Nötigste reduziert.
Klanglich ist das Werk heute nur noch ein Abglanz seiner einstigen Pracht – das Oberwerk ist stillgelegt und nicht mehr spielbar und das Innere ist stark verschmutzt. Durch eine findige Organistin aus dem Nachbarort konnte die Registratur des Hauptwerkes wieder hergestellt werden – bis vor kurzer Zeit war das Instrument nur im Tutti spielbar. Der Klang zeigt sich zwar stark verstimmt, aber die Intonationsweise der Werkstatt ist noch erahnbar. Ein starker Principal 8′ wird aufgehellt durch die sehr spitz und stark intonierte Octave 4′, die in ihrem Klangbild den 2′ nicht vermissen lässt, nach oben hin abgerundet durch eine einstmals goldene Mixtur 3fach auf 2 2/3′- Basis. Leider ist heute nur noch der kleinste Chor klingend (1 1/3′), alle anderen Chöre der Mixtur sind stillgelegt. Die Charakterstimmen zeigen sich als runde, weich-samtige Hohlflöte und als scharf-herbe Gambe 8′, abgerundet durch den dunklen und dumpfen Bordun 16′, aufgehellt durch das agile Gedackt 4′. Die Rühlmann-Orgel Opus 149 in Rothenschirmbach zeigt sich optisch prächtig und als Zierde des Raums. Klanglich vermag sie jedoch dem Raum nicht mehr gerecht zu werden und harrt einer Sanierung, um ihren ursprünglichen Klang samt Oberwerk mit warmen Charakterstimmen und golden-glanzvollem Plenum wieder erstehen zu lassen.

Disposition

Manual I – Hauptwerk C – f“‘

Bordun 16′ 

Principal 8′ (teilw. Prospekt, Zink)

Hohlflöte 8′

Viola di Gamba 8′

Octave 4′

Gedackt 4′

Mixtur 3fach 2 2/3′

Manual II – Oberwerk C – f“‘

Geigen Principal 8′

Gedact 8′

Flauto trav. 8′

Salicional 8′

Flauto amabile 4′

Pedal C – d‘

Subbaß 16′ (Holz, gedeckt)

Violon 16′ (Holz, offen)

Principal baß 8′

 

 

Spielhilfen

als Registerzüge mittig: Manual Coppel [II/I], Pedal Coppel [I/P]
als Registerzug ganz rechts: Calcant (heute funktionslos)
als Kollektivdrücker in der Vorsatzleiste unter Manual I, aus Messing, ohne Beschriftung, von links: Auslöser, p, mf, tutti

Gebäude oder Kirchengeschichte

10. Jahrhundert Bau einer Kapelle, welche dem Hl.Pancratius geweiht ist.
12. Jahrhundert Bau einer Steinkirche im romanischen Stil.
Anfang 19. Jahrhundert Baufälligkeit der Kirche – das Bauwerk ist zudem der wachsenden Gemeinde zu klein.
1893 Abriss der alten Kirche.
Dezember 1893 Kirchweihe der neuen, größeren, neoromanischen Kirche.
1917 Abgabe der Glocken zu Rüstungszwecken.
192? Guss dreier neuer Glocken aus Bronze durch Schilling (Apolda).
1940er Jahre Abgabe der zwei großen Glocken zu Rüstungszwecken.
1958 Guss zweier Glocken aus Eisenhartguss durch Schilling&Lattermann (Morgenröthe-Rautenkranz), dabei auch Errichtung eines neuen Stahlglockenstuhls mit Schwungrichtung quer zum Kirchenschiff.
1998 Sanierung des Daches der Kirche und folgend auch Sanierung des Innenraums.
11. Juni 2006 Einweihung als (vierte) Autobahnkirche in Sachsen-Anhalt an der A38.
2023 Anschaffung eines neuen Kronleuchters für die Kirche

Die heutige Autobahnkirche St. Pankratius in Rothenschirmbach, zugleich Gemeindekirche, zeigt sich als typisches Bauwerk im Stile des Historismus bzw. im neoromanischen Stil. Über den Vorgängerbau der heutigen Kirche ist wenig bekannt. Fest steht jedoch, dass das Bauwerk zu klein bzw. zu baufällig war und binnen eines Jahres abgetragen wurde und die Neue Kirche aus rotem Sandstein des Hornburger Sattels neu errichtet wurde – ein Zeichen für den Wohlstand und das starke Wachstum der schon in der Bronzezeit besiedelten und im 19. Jahrhundert durch den Bergbau stark wachsenden Region. Im Dezember 1893 konnte die Kirche geweiht, die Orgel dann erst 1894 errichtet werden. Das Gotteshaus, unweit der A38 gelegen, prägt mit seinem hohen Turm, welcher auf rechteckigem Grundriss steht und nach oben in eine oktogonale Glockenstube mit neoromanischen Schallfenstern mit aufgesetzter Spitze mündet, die Landschaft in der Niederung um den Ort. Die neue Kirche zeigt sich als einschiffiger neoromanischer Saalbau aus rotem Sandstein, abgebaut seinerzeit unweit Rothenschirmbach’s. Das Bauwerk, eine einschiffige Saalkirche mit Satteldach und an den Kirchsaal angeschlossener halbrunder Apsis mit drei Rundbogenfenstern, wird nach Westen hin durch den auf quadratischem Grundriss errichteten Turm abgeschlossen, der zur Zierde noch einen Treppenturm aufweist und nach oben hin durch eine oktogonale Glockenstube mit neoromanischen Schallarkaden sowie einer bekrönenden Spitze abgeschlossen wird. Rundbogenfriese gliedern dabei den äußeren Eindruck – ein kleiner Dachreiter thront auf dem Dach des Kirchenschiffes am Übergang zum Chorabschluss.
Die äußere Schlichtheit des einschiffigen Bauwerkes wird dabei im Innenraum konsequent fortgesetzt. Die Wände sind schlicht-weiß gehalten – das Kirchenschiff wird von einer Kassettendecke aus Holz überspannt, deren einzelne Felder mit floralen Ziermotiven versehen sind, die sich auch an der dunkel gebeizten Emporenbrüstung geschmackvoll und dezent wiederfinden. Ein florales Zierband in sanftem Blau-grün umläuft das Kirchenschiff unterhalb der Kassettendecke. Der Altarraum ist von einem Tonnengewölbe überspannt, welches auf blauem Grund goldene Sterne, dem ewigen Firmament gleichend, zeigt. Einzelne ockerfarbene Zierbänder gliedern die Apsis, deren drei Buntglasfenster von links nach rechts die Geburt Christi, den Auferstandenen samt Alpha und Omega, sowie das letzte Abendmahl in qualitätvoller und lebendiger Arbeit zeigen. Der Ockerton findet sich dabei auch gliedernd und abhebend in den Fensternischen wieder. Die restlichen Rundbogenfenster des Kirchenschiffes sind ebenfalls aus sanftem Buntglas im Schachbrett- bzw. Karomuster umrahmt von einem roten Zierband. Der Altartisch selbst wird von Säulen getragen, von einem Kruzifix bekrönt und ist äußerst schlicht gehalten, ebenso wie die an der Südseite des Altarraumes angebrachte, in geschwungenen Formen ausgeführte Kanzel aus Holz, deren einzige Zierde neben den gliedernden Flachfeldern ein in Intarsien ausgeführtes Kreuz ist. Unter der Empore, die im Westen gerade das Kirchenschiff abschließt, ist heute eine Winterkirche untergebracht. Bemerkenswert ist ein großer, aus Gusseichen gefertigter Radleuchter in neoromanisch-byzantinischen Formen im Kirchenschiff. Diese Formen finden sich auch an den Wandhalterungen der Leuchter wieder. Der Orgelprospekt korrespondiert mit den geschwungenen Formen der Kanzel und sorgt mit seiner kantigen Ausführung für einen wirkungsvollen Kontrapunkt – dabei hebt das neoromanische Gehäuse sich nicht unangenehm von der restlichen Einrichtung ab und nimmt die schlichte Formensprache wieder auf.
Die ganztägig verlässlich geöffnete Kirche erhält durch ihre schlichte Ausstattung und die hohe Kassettendecke ein feierliches, nach oben strebendes, den Himmel auf Erden holendes Gepräge, welches den Betrachter zum Ruhe finden und Verweilen auf der ewigen Reise des Lebens einlädt und den Blick bzw. die Gedanken mal hierhin, mal dorthin schweifen zu lassen.

Anfahrt

Quellenangaben


Orgelbeitrag erstellt von:

Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter – eigene Sichtung.
Kirchengeschichte: Webauftritt der Autobahnkirche Rothenschirmbach

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