Orgel: Landsberg (Saalekreis) / Hohenthurm – Martin-Luther-Kirche
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Gebäude oder Kirche
Martin-Luther-KircheKonfession
EvangelischOrt
Landsberg (Saalekreis) / HohenthurmPostleitzahl
06188Bundesland / Kanton
Sachsen-AnhaltLand
DeutschlandBildergalerie + Videos
Orgelgeschichte
1659 ist noch keine Orgel vorhanden.
1687 vermerkt die Kirchenrechnung Kalkantengelder – es ist also eine Orgel vorhanden – ein Positiv von 7 Stimmen, Erbauer vermutl. Georg Reichel/Halle.
1723/24 Entschluss zum Orgelneubau.
Ab 1724 Orgelneubau durch Zuberbier.
1725 Fertigstellung des Werkes, Disposition unbekannt – der einzige bekannte Fakt sind 22 Registerzüge – die Orgel war also ein stattliches Werk mit zwei Manualen.
1727 durch „große Hitze“ Risse in Balg und Windlade, im Folgenden Reparatur.
1856 Abtragung der Orgel wegen Kirchenrenovierung – danach Wiederaufstellung.
Derzeitige Orgel
1877 Neubau einer vorderspieligen mechanischen Schleifladenorgel II/14 durch August Ferdinand Wäldner/Halle.
1917 Abgabe der Prospektpfeifen und Ersatz durch Zinkpfeifen.
1937 Pflege der Orgel durch Orgelbau Heintze/Weißenfels, dabei auch Dispositionsänderung – auf einem alten Foto sind überschriebene Registerschilder im zweiten Manual sichtbar.
1970er Jahre die Orgel wurde unspielbar, auch durch den schlechten Zustand der Kirche.
Ab 1980 Schäden am Werk durch Vandalismus und Witterungseinflüsse.
Um 1995 Reinigung der Orgel und Behandlung gegen Holzwurm. Das Werk blieb aber unspielbar und wurde teilweise ausgelagert.
Ab 2010 Planungen zur Sanierung des Werkes.
2014 Beginn des ersten Bauabschnittes (HW und Pedal) durch Thorsten Zimmermann/Halle.
21.11.2014 Abnahme des ersten Bauabschnittes durch den Orgelsachverständigen.
12.6.2020 bei Besichtigung der Orgel waren HW und Pedal, also 10 von 14 Registern spielbar. Die Registerzüge des Oberwerkes waren derzeit nicht vorhanden.
Die Wäldner-Orgel in Hohenthurm ist vermutlich das jüngste Werk aus der mit ca. 75 Orgeln sehr produktiven Werkstatt aus Halle. Sie verbirgt sich hinter einem Prospekt, der dem im benachbarten Peißen nahezu zum Verwechseln ähnlich ist. Drei jeweils dreiseitige Türme mit je drei rundbogigen Pfeifenfeldern gliedern den Prospekt und werden durch zwei kleine Rundbogenfelder verbunden. Der Mittelturm ist dabei in Anlehnung an barocke Prospekte im Saalekreis deutlich größer und mächtiger als die seitlichen Türme.
Zwischen den Feldern befinden sich Pilaster, die das Erscheinungsbild gliedern. Der Prospekt ist in dunklem Braun gehalten und mit mintgrünen Akzenten, z.B. in dem Prospekt nach oben hin abschließenden Zinnenfries und an den Pilastern, versehen. Hellgoldene Akzente veredeln das Erscheinungsbild. Die Prospektpfeifen aus Zink strahlen heute wieder in edlem Silber, sind nicht mehr so matt wie früher, sondern von überaus edler Erscheinung.
Der Spieltisch ist als Spielschrank mit beidseitigen Türen vorne am Prospekt angeordnet, die Registerzüge befinden sich in Symmetrie beiderseits des Notenpultes. Die gedrechselten Manubrien besitzen weiße Porzellanschilder mit heute leicht verblichener, schwarzer Frakturschrift. Im Zuge der Sanierung der Orgel sind derzeit die Registerzüge von Manualkoppel und der noch nicht wiederhergestellten Oberwerksregister nicht vorhanden, die Öffnungen der Züge sind leer.
Im Inneren befinden sich auf Höhe der Prospektöffnungen die zwei Windladen für die beiden Manuale, beide zur Mitte hin aufsteigend in C- und Cis-Seite geteilt. Die heute noch nicht belegte, durch Plane abgedeckte Windlade des zweiten Manuales ist hinter dem Stimmgang gelegen. Das Pedalwerk befindet sich hinten als Rückwand der Orgel – der Balg steht im Turmraum. Beide Manualwerke besitzen Wellenbretter, das Pedal eine Strahlentraktur.
Die Disposition zeigt sich (wie meist bei Wäldners kleineren Orgeln) mit einem stark dominierenden Hauptwerk und einem tragenden Pedalwerk, ergänzt durch ein leises, lyrisches Oberwerk. Dass die Orgel um ein Register größer ist als die im benachbarten Peißen, lässt eventuell auf ein Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Orten schließen…
Das Hauptwerk basiert auf einem fülligen Bordun 16′, der dem Werk Gravität und Fülle verleiht. Drei Achtfußregister als machtvoller Principal von singend-starkem Klang, als perlend starke offene Flöte und als schneidende Gambe 8′ stehen dem zur Seite. Eine strahlende Octave 4′ nebst glitzernder Octave 2′ und golden-herb leuchtender Mixtur 3fach bilden die weitere Principalpyramide. Ein Gedackt 4′ von stiller, etwas spitzer Intonation füllt die Grundstimmen auf und hellt den Klang dezent auf. Das Oberwerk besaß Charakterstimmen der Achtfußlage – zu seinem Klang kann dato kein Wort verloren werden. Das Pedal grundiert mit seinem offenen 16′ und dem gedeckten 16′ den Klang sehr kraftvoll und gravitätisch – ein Principal 8′ sorgt für Kontur und Zeichnungsfähigkeit. Der Gesamtklang ist gravitätisch, voll, aber gleichzeitig sanft und herb, vollmundig, aber nicht schreiend oder drückend – die Orgel ist von angemessenem, schwer-erdigen Klang.
Die Trakturen spielen sich angenehm, kraftvoll, aber zugleich nicht zu schwer oder teigig und mit präzisem Druckpunkt. Der Gemeinde ist zu diesem sanierten Werke ein herzlicher Glückwunsch und für die Leistung der Sanierung eine große Anerkennung zuzusprechen.
Disposition
Disposition Wäldner 1877
Manual I – Hauptwerk C – f“‘Bordun 16. Fuß. Principal 8. Fuß. Hohlflöte. 8. Fuß. Viola di Gamba. 8. Fuß. Octave. 4. Fuß. Octave. 2. Fuß. Mixtur 3. Fach
|
Manual II – Oberwerk C – f“‘Gedackt 8. Fuß. Flauto traverso. 8 Fuß. Salicional. 8. Fuß. Flauto amabile. 4. Fuß. |
Pedal C – d‘Subbaß 16. Fuß. Violonbaß 16. Fuß. Principal baß 8. Fuß. |
Die Registerzüge des OW und der Manualcoppel waren bei der Besichtigung nicht vorhanden.
Disposition des Positives 1687
Manual C, D – c“‘Grobgedeckt 8′ Kleingedeckt 4′ Quinten 3′ Principal 2′ Octaven 1′ Sesq. altera Posaunen 8′ |
Spielhilfen
Als Registerzug links unten: Pedal Coppel. [I/P]
Als Registerzug rechts unten: Manual Coppel.
Als Registerzug unter dem Spieltisch rechts: Calcanten Klingel.
Spielhilfen des Positives 1687
Zimbelstern, Tremulant, Vogelsang
Gebäude oder Kirchengeschichte
12./13. Jahrhundert Errichtung des ersten Kirchenbaues.
1555 wird die Kirche evangelisch, der erste Pfarrer tut seinen Dienst in Hohenthurm.
1723/24 Renovierung der Kirche – Einbau einer neuen Empore.
1758 Guss einer neuen Glocke.
1853 Sprung der Glocke beim Trauergeläut.
1856 große Renovierung der Kirche – neue Innenausstattung.
1860/62 Guss zweier neuer Glocken durch Johann Gotthilf Große/Dresden.
1917 Abgabe der zwei Glocken.
1921 Guss dreier neuer Glocken aus Eisenhartguss bei Schilling&Lattermann, Tonfolge g‘- b‘- des“.
1934 Umbenennung der Kirche zu Martin-Luther-Kirche.
Nach 1945 keine weitere Pflege des Bauwerkes mehr.
1970er Jahre keine Gottesdienste mehr in der Kirche aufgrund des schlechten Zustandes des Baukörpers.
Ab 1980 Überlegungen ob man das Bauwerk aufgeben und abreißen muss.
Ab 1988 notdürftige Reparaturen am Bauwerk als Initiative von Gemeindegliedern – Neueindeckung des Daches.
1992 Sanierung der Läuteanlage von Glocke I mit neuem, geradem Holzjoch und elektrischer Läuteanlage – der Rest der Anlage harrt der Sanierung.
1993/94 komplette Neueindeckung des Daches mit reichlich Spenden, u.a. von der Partnergemeinde.
1995 Einbau neuer Fenster.
März 1996 Einbau eines neuen Apsisfensters.
August 1996 Malerarbeiten – Einbau einer Heizung.
6.10.1996 Einweihung der Kirche.
1997 Aufstellung eines neuen Taufsteines in der Kirche.
2006 umfangreiche Sanierungsarbeiten am Kirchturm, Ersatz des zweiten Giebelkreuzes.
Die Lutherkirche in Hohenthurm ist eines jener Gotteshäuser, die dankenswerterweise durch unermüdlichen Einsatz von Gemeinde und Kirche vor Verfall und Zusammensturz im Angesicht fast völliger Mittellosigkeit erhalten und wieder aufgebaut worden sind.
Die Kirche in Hohenthurm, einem kleinen Ort an der damaligen Grenze zwischen Sachsen und Preußen, steht auf einer kleinen Anhöhe, die möglicherweise eine ehemalige slawische Kultstätte war. Direkt an der Kirche angefügt ist der für den Ort namensgebende hohe, runde ehemalige Burgturm, hinter dem der niedrige (für die Region typische) Westquerturm der Kirche fast zu verschwinden droht. Jener Turm ist weithin sichtbar und prägt das Landschaftsbild ringsum. Die Kirche ist als einschiffiger Saalbau mit angefügtem, etwas schmaleren rechteckigen Chorraum und halbrunder Ostapsis erbaut. Bis auf die Eckquaderungen aus Sandstein ist das Bauwerk aus Bruchsteinmauerwerk lokaler Herkunft erbaut. Der Westquerturm ist etwas schmaler als das Kirchenschiff und besitzt ein Satteldach nebst romanischen Schallarkaden und auf den Giebeln je zwei griechische Kreuze. Die drei Abschnitte des Kirchenschiffes sind nach Osten abgestuft erbaut. Die Fenster sind als flache Halbbogenfenster gebaut, die Laibungen sind aus Sandstein gefertigt.
Das Innere der Kirche zeigt sich heute weit und schlicht, die Ausmalungen von 1856 wurden längst übermalt. Die Wände sind in hellem Weiß gehalten. Eine flache, dunkle Holzbalkendecke überspannt den Raum – die Apsis besitzt ein Tonnengewölbe. Der Altar in der schlichten Apsis besteht aus Steinquadern und ist sehr schlicht. Der Apsisbogen ist durch grauen Stein abgesetzt. Das Apsisfenster ist aus Buntglas hergestellt und zeigt Adam und Eva unter dem Baum der Erkenntnis. Die Kanzel auf der Südseite ist sehr schlicht und besitzt einen oktogonalen Kanzelkorb mit schlichten Rechteckfeldern. Die Empore war einst zweigeschossig, das untere Geschoss ist hufeisenförmig, auf der Südseite ist die Empore allerdings verkürzt worden. Die Empore ruht auf achteckigen Säulen mit edel bemalten Kapitellverblendungen. Die Rechteckfelder sind mit floraler Malerei versehen. Der Mittelteil der Empore unter der Orgel schwingt sich halbrund nach vorne, in der Mitte ist ein Portrait von Martin Luther zu sehen. Links und rechts der Orgel sind zwei Reste der ehemaligen oberen Empore sichtbar, die die Orgel geschmackvoll umrahmen. Das Innere ist sehr hoch und hell, weit, edel, schlicht und erhaben. Es ist wunderbar, dass diese Kirche sich hier so erhalten hat und in unermüdlicher Arbeit wieder aufgebaut wurde.
Anfahrt
Quellenangaben
Orgelbeitrag erstellt von: Johannes Richter
Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter, eigene Sichtung vor Ort 12.06.2020, ergänzt durch Informationen aus: W. Stüven – Orgel und Orgelbau im Halleschen Land vor 1800, Breitkopf&Härtel,
Wiesbaden 1964, sowie Informationen von der Wäldner-Webseite
Kirchengeschichte: Beitrag auf dem Webauftritt der Gemeinde, abgerufen am 14.12.2021
Historische Disposition aus: W. Stüven – Orgel und Orgelbau im Halleschen Land vor 1800, Breitkopf und Härtel, Wiesbaden 1964,S.64