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Orgel: Halle (Saale) / Altstadt – St. Mauritius (Moritzkirche)

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Gebäude oder Kirche

St. Mauritius (Moritzkirche)

Konfession

Katholisch

Ort

Halle (Saale) / Altstadt

Postleitzahl

06108

Bundesland / Kanton

Sachsen-Anhalt

Land

Deutschland

Bildergalerie + Videos

 

Johannes Richter spielt James Hotchkiss Rogers – Miniature Suite



Bildrechte: Datenschutz

Orgelgeschichte

1569 Orgelneubau durch Esaias Beck, weitere Daten sind unbekannt.
1624 – 1626 Orgelneubau durch Johann Heinrich Compenius (Halle) II/26 nach Plänen von Organist und Komponist Samuel Scheidt. Dieser unterstützte den Neubau auch finanziell aus eigenen Mitteln.
1749 wird ein Orgelneubau geplant, das alte Instrument sollte bereits mehrfach umgebaut und erneuert werden, wozu es aus finanziellen Gründen nie kam. Man beließ es beim Neubeledern der Bälge, was Heinrich Andreas Contius 1749 für 30 Reichsthaler ausführte.
1755 schickt Heinrich Andreas Contius an den Kirchenrat ein Schreiben, in welchem er den schlechten Zustand der Orgel schildert. Die Orgel ist sehr vom Holzwurm zerfressen und droht gar herabzustürzen. Contius liefert zudem einen Neubauanschlag für 32 Stimmen (13/11/8), der jedoch nicht zur Ausführung kam.
1764 Reparatur der Orgel durch Orgelbauer Beyer aus Naumburg für 115 Reichsthaler. Auch Beyer lieferte einen Neubauanschlag, der nicht ausgeführt wurde.
1770 erneuter Kostenvoranschlag für Neubau durch Johann Friedrich Zuberbier, abermals wurde der Anschlag abgelehnt, Zuberbier belederte stattdessen für 10 Reichsthaler die Bälge neu.
1772 Stiftung eines Effektregisters (Glockenspiel) nebst Einbau für die Orgel. Das Glockenspiel umfasste den Tonraum von g° bis c“‘. Zuberbier baute das Register ins Oberwerk ein, reinigte die Orgel und entfernte im Rückpositiv Krummhorn 8′ und Schallmey 4′, an deren Stelle er eine neue Traversflöte 8′ setzte – II/25+1 Effektregister. Die alte Orgel blieb auch danach mangelhaft.
1779 erneute Planungen zu einer neuen Orgel nebst neuer Orgelempore.
1780 Stiftung einer neuen Orgelempore durch Gemeindeglieder, sie sollte von Baumeister Dietlein gefertigt werden.
1780 Kontraktabschluss mit Johann Gottfried Krug/Merseburg über den Bau einer neuen Orgel mit zwei Manualen und Pedal nach einer Disposition von Musikdirektor Daniel Gottlob Türk aus Halle. Auch Zuberbier bewarb sich, seine Angebote wurden jedoch abgelehnt, da die Vorschläge von Krug „angenehmer“ seien.
1781 Abbruch der alten Orgel und der alten Orgelempore.
1783 Baubeginn Krugs in Halle – die Verzögerung rührte durch die von Krug noch auszuführenden Arbeiten im Dom zu Merseburg her. Musikdirektor Türk vergrößerte seine vorgeschlagene Disposition auf drei Manuale (Zufügung Brustwerk und Posaunenbaß 32′, sodass Krug nun ein Orgelwerk mit drei Manualen und 43 Stimmen lieferte. 4 weitere Züge waren vorbereitet, wurden aber nicht besetzt. Die Orgel besaß 60 Registerzüge.
7. November 1784 Weihe des neuen Orgelwerkes; mechanische Schleifladenorgel III/43 (geplant III/46) mit Spielschrank und neuem Gehäuse für 1801 Reichsthaler. Eine Besonderheit stellte das Register „Echo“ dar; es handelt sich hierbei um ein 5faches Cornett in einem primitiven Schwellkasten. Eine ähnliche Einrichtung baute Krug auch in die Domorgel zu Merseburg ein.
1842 Auftragsvergabe für Orgelneubau an Johann Friedrich Schulze/Paulinzella, der sich gegen Friedrich Wilhelm Wäldner aus Halle durchsetzte. Die neue Orgel umfasste 39 klingende Stimmen auf drei Manualen und Pedal mit Spielschrank im Gehäuse. Das Pedal war radial und geschweift, wurde aber später durch ein gerades Pedal getauscht. Das neogotische Gehäuse war mit stummen 8′-Pfeifen aus Zink besetzt und steht noch heute auf der Westempore. Die Windladen waren terrassenförmig gestaffelt, um eine besonders gute Klangabstrahlung zu erreichen. Die Orgel kostete 4050 Thaler, wobei die Gemeinde nur 800 Thaler zu übernehmen hatte, den Rest trug der Magistrat der Stadt.
1909 Umbau der Orgel durch Julius Strobel&Söhne aus Bad Frankenhausen; Erweiterung auf 43 klingende Stimmen und Einbau pneumatischer Trakturen. Auch ein neuer Spieltisch wurde angefertigt. Das Instrument überzeugte qualitativ nicht; Regierungsrat Hermann Mund bezeichnete es als „total verpfuscht“ und „ein schamloses Machwerk“.

Derzeitige Orgel

August 1925 die Orgel wird als Op.1307 mit freistehendem Spieltisch und pneumatischen Taschenladen von der Firma Wilhelm Sauer (Frankfurt/Oder) auf Anregung des Organisten Adolf Wieber hinter den bestehenden Prospekt von Schulze neu erbaut III/53 mit Möglichkeiten zur späteren Erweiterung.
13. September 1925 Einweihung durch Günther Ramin (Leipzig).
1926 – 1927 Erweiterung des Werkes auf 63 Register (59 + 4 Transmissionen) – spätere Planungen erwägen Erweiterung auf über 90 Register mit Fernwerk hinter dem Altar und einem nicht ausgeführten labialen 32′-Register – an dessen Stelle steht heute der Hintersatz des Hauptwerkes (erkennbar an der weißen Wippe in der Reihe der gelben Pedalwippen).
1945 Veränderungen im Sinne der Orgelbewegung an dem schon elsässisch angelegten Instrument durch Orgelbauer Hans Michel (Crimmitschau) – 8 Register werden verändert, der Restbestand bleibt unangetastet.
Um 1970 die Kirche wird nach langer Zeit der Nutzung durch die evangelische Gemeinde der katholischen Gemeinde übergeben, die Orgel gerät dabei in Vergessenheit, ihr Zustand verschlechtert sich zusehends bis zur Unspielbarkeit durch Schäden während der Kirchensanierung.
1998 – 1999 Instandsetzung der ersten 11 Register durch die Firma Wilhelm Sauer (Müllrose).
2000 – 2002 Spielbarmachung weiterer 14 Register – es sind 25 Register wieder spielbar – Ausführung Orgelbau Sauer.
2007 wird die vollständige Sanierung und Rekonstruktion der Orgel beschlossen. Den Auftrag erhält Orgelbauer Reinhard Hüfken (Halberstadt).
2009 – 2011 Sanierung der Orgel in der Halberstädter Werkstätte – im Zuge dessen auch Sanierung des Prospektes.
18. September 2011 Einweihung der restaurierten Orgel.
2019 Ergänzung des letzten fehlenden Registers (Krumbhorn 8′ HW) durch Orgelbauer Hüfken. Das originale Krumbhorn liegt noch in der Orgel. Das neue Register ist eher eine durchschlagende Clarinette und fügt sich besser in den Gesamtklang ein.

Besonderheit:
Die Moritzorgel war von Anfang an als universales Konzertinstrument geplant. Hervorstechend sind die beiden Schwellwerke, die Anlage der Manuale auf fünf Oktaven und im Pedal der Tonumfang bis g‘, sodass eine enorme Bandbreite an Literatur spielbar ist. Des Weiteren ist die Vermischung von romantischen Grundstimmen und orgelbewegten bzw. elsässischen Reformideen hervorzuheben. Samt Tuba ist eine Universalorgel für alle Stilrichtungen von Vor – Bach’scher Zeit (mit Geigend-Regal, Grob Gedackt, Singend Cornett) bis Karg-Elert/Reger mit den dazugehörigen Spielhilfen entstanden, welche im mitteldeutschen Raum einzigartig ist. Daneben ist die Anlage der Register am Spieltisch ergonomisch sehr durchdacht und nach kurzer Eingewöhnungszeit völlig intuitiv. Wichtig für ein Konzertinstrument – diverse Spielhilfen tragen entscheidend zur Vielseitigkeit bei.

Disposition

Disposition seit der Restaurierung

I Hauptwerk C-c““ (weiß)

Bratsche 16′

Bourdon 16′

Principal 8′

Doppelflöte 8′

Gemshorn 8′

Gambe 8′

Dulciana 8′

Quinte 5 1/3′

Oktav 4′

Rohrflöte 4′

Prästant 2′

Hintersatz 3-5f.

Cymbel 4 fach

Gross Cornett 3-8f. (ab C!)

Trompete 8′

Krumbhorn 8′ (sic!, 2019 neu, durschl.)

Tuba 8′ (HD, 140 mmWS)

 

II Schwellwerk 1 C-c““ (rosa)

Nachthorn 16′

Flötenprincipal 8′

Grob Ged. 8′

Konzertflöte 8′

Quintatön 8′

Viola 8′

Gambetta 4′

Querpfeife 4′

Piccolo 2′

Schwiegel 1′

Progressiv 3-4 f.

Scharf 6 f.

Sesquialtera 2 2/3′ 1 3/5′

Fagott 16′

Oboe 8′

Geigend Regal 4′

 

III Schwellwerk 2 C-c““ (blau, ausgebaut bis c5!)

Lieblich Gedeckt 16′

Geigenprincipal 8′

Gedackt 8′

Traversflöte 8′

Salicional 8′

Aeoline 8′

Vox coelestis 8′ (ab c°)

Fugara 4′

Flauto dolce 4′

Zartquinte 2 2/3′

Flageolett 2′

Terz 1 3/5′

Mixtur 3-4 fach

Horn 8′

Vox humana 8′

Pedal C-g‘

Principalbass 16′

Kontrabass 16′

Violon 16′ (Tr. I Bratsche )

Subbass 16′

Zartbass 16′ (Tr. III Liebl.Gedeckt)

Oktavbass 8′

Bassflöte 8′ (Tr. II Konzertflöte)

Cello 8′ (Tr. I Gamba)

Flötbass 4′

Rauschpfeife 4f.

Rankett 32′

Posaune 16′

Tromba 8′

Claiton 4′

Singend Cornett 2′

Stimmung a‘ = 440 Hz

Winddrücke I. Manual und Pedal – 115mm Ws, II. Manual und III. Manual 85mm WS

Bei der Umdisponierung von 1945 wurden im Hauptwerk eine Quintade 16′ anstelle des Bourdon 16′ eingesetzt und zwei Quinten 2 2/3′ und 1 1/3′ anstelle der Gambe 8′ und Quinte 5 1/3′ verändert. Im ersten Schwellwerk (II. Manual) wurde anstelle des Nachthorn 16′ eine Quintade 16′ eingesetzt, dass Scharf 6 fach entfernt und die Oboe gegen eine Cymbel 6-fach gewechselt. Viola 8′ wurde zur Oktave 2′ und Gambetta 4′ zur Oktave 4′. Im zweiten Schwellwerk (III. Manual) ist anstelle des Salicional 8′ eine Oktave 4′ und statt der Fugara 4′ eine Quinte 1 1/3′ eingesetzt worden.

Spielhilfen

Sauer-Orgel ab 1925/26
über dem dritten Manual, durch den Werken entsprechende Farben gekennzeichnet (z.B. II/I=rosa/weiß) von links:
oberhalb der freien Kombinationen: Zungen- und Koppeleinzelabsteller, Walze an/ab
linke Seite: Normalkoppeln III/II, III/I, II/I, I/P, II/P, III/P
rechte Seite: Tremulant III, Tremulant II, Ped/II (!), Sub III, Super III, Sub III/II, Super III/II, Sub III/I, Super III/I
über dem ersten Manual mittig als Collectivdrücker: Flöten, Streicher, Bläser
in der Vorsatzleiste I. Manual als Collectivdrücker, von links: Cb.I (Freie Comb. I, weiß), 5 feste Kombinationen
P., mf. F., ff., Tutti, Auslöser, Cb.II (Freie Comb. II, grün), Walze „ab“, Zung. „ab“, Hanr. „ab“, Cpl. a. d. W. (Koppeln aus der Walze),
Handr. z. Cb. (Hanregister zur [freien] Combination)
über dem Pedal als Fußtritte, obere Reihe, stets wechselwirkend mit den Drückern:
Cpl. an W., Auslöser, Walze an, Walze ab
über dem Pedal als Fußtritte, untere Reihe, stets wechselwirkend:
Cpl. aus W., Cb.I, Cb.II, Tutti
mittig über dem Pedal: Rollschweller (Walze) mit Anzeige mittig über den Manualen
rechts über dem Pedal: Balanciertritte f. Schwellwerk II, Schwellwerk III (Jalousieschweller, mechanisch betätigt!)

Gebäude oder Kirchengeschichte

Zwischen 1121 und 1144 Bau einer romanischen Kirche – Gründung der Pfarrei.
1184 Stiftskirche des Augustinerstiftes, geweiht dem Schutzpatron des (Erz-) Bistums Magdeburg – dem Hl. Mauritius.
Ab 1388 Neubau der heutigen gotischen Kirche unter Bauherr Conrad von Einbeck.¨
1411 der Südchor und die östliche Langhaushälfte werden teilweise vollendet.
Circa 1448 Vollendung der drei östlichen Joche.
1493 Grundsteinlegung für den Westbau.
Abschluss des Baus etwa 1453-1510 unter Mitwirkung von Hans Brochstete und Nickel Hoffmann – Vollendung des Außenbaus (ohne geplantes Turmpaar, Westfront daher nur so hoch wie Kirchenschiff)
1509 Auflösung des Stiftes und Nitzung bis zur Reformation durch die Dominikaner als Klosterkirche, da die eigentliche Dominikanerkirche („Dom“) als Stiftskirche des Neuen Stiftes umgebaut und genutzt wurde.
1542 wird die Kirche von der lutherischen Gemeinde genutzt.
1557 Abschluss des Innenausbaus.
1694 – 1697 Neubau des Kirchturms im barocken Stil.
1789 Abriss des Kirchturms nach Einsturz.
1801-03 entstand der heutige, niedrigere Turmaufsatz.
1806-1808 Abriss der Stiftsgebäude und des Kreuzganges.
1955 – 1958 Instandsetzungsarbeiten im Innen- und Aussenbereich.
1970 wird die Kirche der katholischen Gemeinde verpachtet – Patrozinium St. Mauritius und Paulus.
1971 – 1981 Instandsetzungsarbeiten im Aussenbereich.
Ab 1838 stetige Sanierungsmassnahmen – zuletzt 2015-2017 Instandsetzung des Dachstuhls.
Die beiden Glocken im Turm stammen aus dem 14. Jahrhundert und von 1695 – Schlagtöne c‘ + h‘.

Besonderheit:
Die Moritzkirche als dreischiffige, gotische und siebenjochige Hallenkirche gilt als Auftakt der gotisch-sächsischen Baukunst, vor allem der Chor wurde Vorbild für viele mitteldeutsche Kirchenbauten. Das Innere zeigt sich als dreischiffige Hallenkirche mit drei gleich hohen Schiffen, die von Netz- und Kreuzgratgewölben überspannt werden. Der Innenraum ist schlicht gehalten, wird lediglich durch einige besondere Ausstattungsstücke belebt: Steinskulpturen von Conrad von Einbeck (z.B. Darstellung des Hl. Mauritius, im Volksmund „Schellenmoritz“ genannt), spätgotischer Hochaltar (Flügelatar) von 1511, Kanzel von Zacharias Bogenkrantz (1592) mit Schalldeckel (Valentin Silbermann – 1604). Der Innenraum macht damit die schlichte und filigrane Gotik in besonderem Maße erlebbar, ergänzt durch verschiedenste unaufdringliche, bemerkenswerte Kunstschätze.

Anfahrt

Quellenangaben


Orgelbeitrag erstellt von:

Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter, eigene Sichtung – Informationen basierend auf Internetauftritt der Moritzorgel, Orgelbau Hüfken – Winddrücke und Umdisponierung, MGG Online Angaben zur Compenius-Orgel.
Kirchengeschichte: Angaben der Kirchgemeinde und Wikipedia mit Quellen von Brülls/Dietzsch: Architekturführer Halle an der Saale. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-496-01202-1.
Wulf Schadendorf: Die Moritzkirche zu Halle. Berlin: Union 1959 (Das christliche Denkmal 43), 2. Auflage 1965.
Katholische Akademie des Bistums Magdeburg (Hrsg.): Denk ich an die Moritzkirche… Ein Lesebuch. Halle 2018, ISBN 978-3-00-060944-2.
Peggy Grötschel; Matthias Behne: Die Kirchen der Stadt Halle. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2006, ISBN 3-89812-352-9.
Webauftritt der Kirchengemeinde

Youtube-Kanal „JRorgel“ von Johannes Richter

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