Orgel: Halle (Saale) / Altstadt – Evang. Hochschule für Kirchenmusik (Raum 212)
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Gebäude oder Kirche
Evangelische Hochschule für Kirchenmusik (Raum 212)Konfession
EvangelischOrt
Halle (Saale) / AltstadtPostleitzahl
06108Bundesland / Kanton
Sachsen-AnhaltLand
DeutschlandBildergalerie + Videos
Johannes Richter spielt Johannes Richter (*1998) – Adventspartita über den Choral „Nun komm, der Heiden Heiland“
Bildrechte: Datenschutz
Orgelgeschichte
2002 Neubau einer vorderspieligen mechanischen Schleifladenorgel II/7 durch Jost Truthmann (Frankfurt a.d. Oder), geplant II/8.
Um 2004 Ergänzung um ein Fagott 8′ im Pedal, jetzt II/8.
2021 Umdisponierung und Nachintonation durch die Erbauerwerkstatt, Fagott 8′ im Pedal wurde durch Subbass 16′ und Choralbass 4′ ersetzt, jetzt II/9.
Die Truthmann-Orgel in Raum 212 war die erste neue Orgel seit geraumer Zeit, die für die Evangelische Hochschule in Halle erbaut wurde, zugleich eines der ersten Werke der Werkstatt aus Frankfurt an der Oder und die erste neu erbaute Orgel für die Räumlichkeiten der Hochschule im Händelkarree. Das Instrument nimmt mehr als die Hälfte der Breite des Raumes, in dem es steht, ein und ist mit seinen hölzernen, dunklen Prospektpfeifen und dem stilisierten, durch Holztüren mit Laubsägearbeit verschlossenen Oberwerk von durchaus kantig muskulösen und kraftvoll-schlichtem Erscheinungsbild.
Lange wurde sie von den Studierenden nur recht ungern zum Üben genutzt, aufgrund ihrer doch sehr kraftvollen Intonation, die in dem kleinen Raum an die Grenze des Ertragbaren stieß, bekam sie liebevoll den Beinamen „Truthahn-Orgel“. Nicht zuletzt wurde sie auch wegen des meist verstimmten, kaum praktisch nutzbaren Fagott 8′ und des fehlenden 16′ im Pedal wenig genutzt. Diese angesprochenen Tatsachen sollen jedoch in keinster Weise aufwiegen, dass die Orgel ein sehr gut gearbeitetes, wohlklingendes und durchweg solides Werk ist!
Seit Sommer ’21 besitzt die Orgel nun einen tragenden Subbass und einen Choralbass 4′ für Cantus-Firmus-Stücke – eine nicht zu unterschätzende Bereicherung für dieses Werk!
Das Gehäuse der Orgel zeigt sich mit dunklen Prospektpfeifen aus Holz, die lange Füße besitzen und zum Principal 8′ zugehörig sind. Der Mittelteil über dem Spieltisch erinnert entfernt an ein Brustwerk mit durchbrochenen Türen und lässt den Prospekt in einer Art Werkgestalt erscheinen. Die Türen sind in geradlinig schlichter Laubsägearbeit ausgeführt. Auch die seitlichen Pfeifenfelder besitzen derart gestaltete Schleierbretter. Der Spieltisch ist frontal an das Gehäuse angefügt. Bemerkenswert ist, dass das Notenpult über die gesamte Breite des Spieltisches reicht und somit auch den berüchtigten „Notenschlangen“ (diversen aneinander geklebten Notenblättern) genug Raum gibt. Die Registerzüge befinden sich beiderseits der Klaviaturen mit weißen Porzellanschildern mit schwarzer Kursivschrift darauf. Die Koppeln sind als gut erreichbare Fußtritte mittig rechts über dem Pedal angelegt und nicht als Züge vorhanden.
Das Orgelinnere zeigt sich gut durchdacht und aufgeräumt: Das zweite Manual befindet sich mit seiner chromatischen Lade direkt hinter dem Prospektmittelteil, das erste Manual in C- und Cis-Seite geteilt flankierend daneben. Das Pedal besitzt zwei gleich geteilte Windladen mit den Registern Gemshorn 8′ und Choralbass 4′ aus Holz. Der neue Subbass wurde auf elektrischen Zusatzladen hinten am Gehäuse drapiert, teilweise schauen die Pfeifen auf den Seiten des Prospektes hinaus und verleihen ihm auch zur Seite einen „Klang“.
Die beiden Manualwerke zeigen sich mit dem Nötigsten ausgestattet, was für das Üben gebraucht wird und sind einander durchaus ebenbürtig, auch wenn das erste Manual durch den Principal 8′ und die Sesquialtera deutlich hervortritt. Beide Manuale ergänzen sich quasi zu einem größer disponierten, auf zwei Manuale aufgeteilten Werke.
Der Principal 8’im ersten Manual ist sehr kraftvoll und warm, transparent, singend und sehr weich – in dem kleinen Raum durchaus stark, aber nicht zu drückend. Die Rohrflöte besitzt leichtes Spucken und ist sehr hell, etwas hohl, durchaus präsent. Die Sesquialtera ist herb und schneidend, gut für Solostimmen geeignet. Ihr cornettartiger Charakter im Vollen Werke ist durchaus angenehm. Das zweite Manual besitzt durch seine erhöhte, zentrale Lage eine gute Präsenz. Sein Klang ist insgesamt eher biegsam-romantisch. Der Bordun 8′ ist weich, seidig-samtig, voll und rund. Die Traversflöte 4′ klingt angenehm perlend-hell, das Gemshorn 2′ leicht schneidend, strahlend, aber nicht dominant oder hart.
Das Pedal trägt den Klang sehr angenehm. Der füllige, aber nicht dumpfe oder unangenehm dicke Subbass trägt den Klang gut und ist ein großer Gewinn für den Klang! Das Gemshorn 8′ ist ein gut zeichnendes, warmes Register – der hölzerne Choralbass trägt gut zur Zeichnungsfähigkeit bei, ist aber auch eine gut tragende, durchdringende, aber nicht aufdringliche Solostimme. Der Gesamtklang erlaubt viele Mischungen unterschiedlichster Farben und ist sehr vielfältig und gut zum Üben geeignet. Als wirklich hervorragend bewertet der Autor die Manualtrakturen, sie sind mit sehr präzisem Druckpunkt und angenehmem Tastengang gebaut, von angenehmem Wiederstand gezeichnet, ohne mit der Koppel schwergängig zu werden. Das Spiel auf dem Werk ist stets sehr angenehm, auch bei ausgiebigem Üben. Auch das Pedal spielt sich gut dosierbar.
Die Truthmann-Orgel ist ein gutes Übinstrument mit angenehmem Klang, gekennzeichnet durch sehr solide Ausführung der technischen Grundlage und einer sehr ausgeglichenen Intonation, die beim Spielen große Freude bereitet.
Disposition
Disposition Stand 2021
Manual I – Hauptwerk C – g“‘Principal 8′ (C-F Holz gedeckt, F#-f‘ Prospekt Holz offen, ab f#‘ innen, Metall offen) Rohrflöte 4′ (C-d#“ Metall, Rohrflöte, ab e“ Metall, offen, konisch) Sesquialtera 2f. [ab cis‘, Metall, 2 2/3’+1 3/5′] |
Manual II -Oberwerk C – g“‘Bordun 8′ (Holz, gedeckt) Fl. traverso 4′ (C-h° Holz, offen, ab c‘ Metall) Gemshorn 2′ (durchg. Metall, offen) |
Pedal C – f‘Subbass 16′ [neu, Holz gedeckt] Gemshorn 8′ (Holz offen) Choralbass 4′ [neu, Holz offen) |
Disposition 2002 – 2021
Manual I – Hauptwerk C – g“‘Principal 8′ Rohrflöte 4′ Sesquialtera 2f. [ab cis‘] |
Manual II -Oberwerk C – g“‘Bordun 8′ Fl. traverso 4′ Gemshorn 2′ |
Pedal C – f‘Gemshorn 8′ Fagott 8′ [aufschlagend] |
Spielhilfen
Als einrastende Fußtritte mittig rechts über dem Pedal: Manual-coppel, Pedal-coppel [I/P]
Gebäude oder Kirchengeschichte
1926 Gründung der Kirchenmusikschule, damaliger Standort Aschersleben.
1938 Umzug des Institutes in die Räumlichkeiten des Schlesischen Konviktes Halle.
1939 Eröffnung am neuen Standort.
1993 erfolgt die staatliche Anerkennung als Hochschule. Das Institut heißt fortan Evangelische Hochschule für Kirchenmusik.
2001/02 Umzug in das neu errichtete Gebäude im Händelhaus-Karree in der kleinen Ulrichstraße.
2019 Umbaumaßnamen am Foyer – Ausbau zum Andachts- und Unterrichtsraum.
Das Hochschulgebäude zeigt sich als schlichter, geradliniger Bau mit großen Fensterfronten und diversen Räumlichkeiten für Unterricht und Üben mit guter Schallabschottung und Klimatisierung. Der Raum der Truthmann-Orgel liegt im zweiten Obergeschoss neben dem der Voigt-Orgel und besitzt ebenfalls ein großes Fenster, was den Raum hell, freundlich und angenehm zum Üben macht.
Anfahrt
Quellenangaben
Orgelbeitrag erstellt von: Johannes Richter
Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter – eigene Sichtung vor Ort, ergänzt durch Informationen von M. Dreißig
Kirchengeschichte: Beitrag auf der Webseite der Evang. Hochschule für Kirchenmusik Halle (Saale), abgerufen am 10.12.2021
Ein herzlicher Dank sei Rektor Prof. Peter Kopp für die Genehmigung der Präsentation gesagt!