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Orgel: Bad Schmiedeberg / Pretzsch (Elbe) – St. Nicolai

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Gebäude oder Kirche

Stadtkirche St.Nicolai

Konfession

evangelisch

Ort

Bad Schmiedeberg/Pretzsch (Elbe)

Postleitzahl

06905

Bundesland / Kanton

Sachsen-Anhalt

Land

Deutschland

Bildergalerie + Videos



Bildrechte: Datenschutz

Orgelgeschichte

1846 Orgelneubau durch Moritz Baumgarten (Zahna) im Gehäuse einer barocken Vorgängerorgel eines unbekannten Erbauers, das mechanische Instrument besitzt 21 Register auf mechanischen Schleifladen mit einem vorne in das Gehäuse eingelassenen Spieltisch.
1917 Abgabe der originalen Prospektpfeifen und Vermessung des Prospektes durch Orgelbauer Rühlmann (Zörbig).
1953 Einbau von Prospektpfeifen aus Zink, dabei auch Dispositionsänderung und Einbau neuer Registerschilder durch Orgelbauer Eduard Fritz Köhler (Pretzsch).
1959 Instandsetzungsmassnahmen durch Köhler.
2004 Reinigung der Orgel durch Rainer Wolter (Zudar) – dabei Einbau einer neuen Spieltischbeleuchtung II/21.

Die Baumgarten-Orgel in Pretzsch ist eines der wenigen erhaltenen Instrumente ihres Erbauers, der später nach Boston auswanderte und dort in Nordamerika eine weitere reiche Tätigkeit entfaltete. Neben Obhausen bei Querfurt ist noch eine weitere Baumgartenorgel in einem in der Nähe zu Pretzsch gelegenen Ort erhalten. Am 29. November 1846 erfolgte die Einweihung der Orgel mit einem Festgottesdienst. Das Instrument, dessen sehr dunkle Prospektpfeifen sich wenig wirkungsvoll gegen den restlichen prachtvollen Prospekt, der mit hohen seitlichen Pfeifentürmen und zwei mittig übereinander angeordneten Feldern einen sicher ehemals vorhandenen Werkaufbau zeigt, abheben, zeigt sich heute als romantische Orgel mit neobarocken Einflüssen und einer stark abgeänderten Intonation. Bemerkenswerterweise sind alle Felder als flache Rundfelder ausgeführt – teilweise fehlen die Schleierbretter, was den Gesamteindruck etwas provisorisch werden lässt. Im Inneren erwarten den Kenner wenig Überraschungen: An der Rückwand steht das Pedal, darüber vorne das Hauptwerk, wiederum darüber das Oberwerk – das II. Manual. Alle Werke sind in C/Cis-Seite geteilt und werden über Wellenbretter angesteuert. Klanglich zeigt sich das einstmals prachtvolle Instrument heute leider nicht mehr im ursprünglichen Gewand. Die Orgel in Obhausen bei Querfurt vermag einen Eindruck zu vermitteln, welche klanglichen Möglichkeiten dieses Werk gehabt haben könnte. Im Rahmen einer Umintonation wurden teilweise die Aufschnitte verändert sowie die Fußlöcher weit geschlossen, sodass der Klang sich sehr zum Diffusen hin veränderte. Durch die hervorragende Akustik des Kirchenraumes ist das Instrument (vor allem das zweite Manual) klanglich aber sehr präsent im Raum und stets klar durchhörbar.
Der hohe Anteil originalen Pfeifenwerkes, teilweise leicht umgearbeitet, umbenannt und durchwegs umintoniert, lässt das Klangbild der Orgel im Grundsatz doch romantisch wirken – auch wenn die andere dem Verfasser bekannte Baumgarten-Orgel in Obhausen ein beträchtlich kräftigeres, weniger diffuseres, aber auch härteres Klangbild aufweist. Der Klang dieses Instrumentes hier lässt sich mit „samtig-warm“ sicherlich am Besten beschreiben.
Die Dispositionsweise folgt den Idealen der Früh- bzw. Hochromantik. Ein Principal 8′ mit einstmals kräftigem (heute leider etwas undeutlichen Klang) mit recht flötiger Ansprache, wird flankiert von den Oktaven zu 4 und 2 Fuß nebst einer herb-färbenden Quinte 2 2/3′ – wobei insbesondere die 2′-Oktave sehr spitz intoniert ist. Bekrönt wird das Ganze durch eine vierfache Mixtur, die einen silbergoldenen Glanz auf dem Plenum erstrahlen lässt – auch sie wurde einmal umgearbeitet – von 2′-Basis auf 1 1/3′-Basis heute. Steigerbar ist dieser Glanz noch durch ein 3faches Cornett als Zungenersatz – nutzbar als markante Solostimme oder als Stärkung eines Plenums mit trompetenartiger Brillanz. Grundiert wird das Hauptwerk durch einen fülligen – heute fast pommerartigen Bordun 16′ mit recht quintigem Klang. Das Grundstimmenspektrum wurde schönerweise erhalten. So finden sich heute neben dem Principal in der Ausdifferenzierung der Charakterstimmen ein füllig-rundes Gedackt 8′, eine bewegliche mit sehr lebendiger Ansprache versehene, fast orchestrale Hohlflöte 8′ für flötige Solostimmen, sowie ein Gemshorn 8′, welches ein Principalsubstitut bilden kann. Abgerundet wird diese Farbpalette durch eine spritzige, sich an das Gemshorn anschließende Spitzflöte 4′ von recht leisem, zurückhaltenden, aber etwas scharfem Klangbild. Diese Erhaltung der reichen Grundstimmenpalette sorgt trotz Umintonation dafür, dass eine satte, sichere Basis für den Klang des Werkes gegeben ist und gleichzeitig auch Begleitregistrierungen und Solostimmen aller Art möglich sind. Das Oberwerk besitzt heute nur noch zwei 8′-Register: eine tragende, etwas dumpfe Rohrflöte und ein zurückhaltend scharf-streichendes Salicional 8′. Gewicht geben ein Prinzipal 4′ nebst einer Waldflöte 2′. Bemerkenswerterweise fehlt eine leise Stimme im 4′-Bereich in diesem Werk, die durchaus beim Spielen vermisst wird. Einziger Fremdkörper der gesamten Orgel ist die Cymbel des Oberwerkes, die lediglich auf 2/3′ (!) basiert und sich damit unangenehm, aber erwartet spitz, kaum mischfähig und eher störend vom restlichen gut zusammenpassenden Klangbild abhebt. Dennoch gibt sie in Verbindung mit dem Prinzipal 4′ die Möglichkeit, das OW als Partner/Gegenspieler des HW zu verwenden, zumal das OW im Raum etwas präsenter (nicht zwingend lauter) als das etwas undeutlich sprechende HW ist. Das Pedal bietet mit seinen zwei labialen 16′ (einer offen, einer gedeck), genug Fundament für alle Klänge – noch erweiterbar durch einen Principalbass 8′, der Kraft und bessere Differenzierung gibt und eine Oktave 4′ mit etwas streichendem, jedoch wenig durchsetzungsfähigen Klang (dies verwundert nicht – sie entstand durch Umarbeiten des Cello 8′). Dazu eine Rauschpfeife 4fach, die ebenfalls einen Fremdkörper darstellt, da sie mit ihrer unerwarteten Lautstärke sowie der ihr eigenen klanglichen Härte sich so gar nicht dem Rest der Orgel anzupassen vermag. Vielmehr vermisst man die zur Krönung des Pedalklanges in dieser Kirche notwendige, auch einstmals vorhandene Posaune 16′, die unverständlicherweise der Rauschpfeife zum Opfer fiel. Insgesamt zeigt sich das Klangbild also großteils homogen, trotz Mixturklang recht matt und glanzlos (wie hinter einem dicken Vorhang), während eine reine 8′-Mischung der Charakterstimmen im Raum sehr gut trägt. Zudem leidet die Orgel im vollgriffigen Spiel unter kleineren Windproblemen und einer sehr schwergängigen Traktur mit ungewöhnlich langen Untertasten. Trotz der intonatorischen Besonderheiten und Veränderungen ist das Instrument im Raum zwar nicht „laut“ (wie man es angesichts der Registerzahl erwarten würde), aber präsent und klar durchhörbar, was stets vor reiner Lautstärke stehen sollte – obgleich die Klangkraft für die Begleitung einer großen und starken Festgemeinde fehlt. Eine Kompromisslösung ist und bleibt dieser Zustand trotzdem. So bleibt nur zu hoffen, dass der edle, elegante Prospekt einst wieder mit den von Baumgarten erdachten, kraftvollen und strahlenden Klängen gefüllt werden möge.

Disposition

Heutige Disposition (Stand 2021)

I – Hauptwerk C – f“‘

Bordun 16 Fuß.*

Prinzipal 8 Fuß. *

Hohlflöte 8 Fuß.*

Gedackt 8 Fuß.*

Gemshorn 8 Fuß.*

Oktave 4 Fuß.*

Spitzflöte 4 Fuß.*

Quinte 2 2/3 Fuß.*

Oktave 2 Fuß.*

Mixtur 4-fach 1 1/3′

Cornett 3-fach 2 2/3′(ab g°)*

 

II – Oberwerk C – f“‘

Rohrflöte 8 Fuß.*

Salicional 8 Fuß.*

Prinzipal 4 Fuß.*

Waldflöte 2 Fuß.

Cymbel 2/3 Fuß. 3-fach

 

Pedal C – d‘

Subbass 16 Fuß.*

Violon 16 Fuß.*

Oktavbass 8 Fuß.*

Choralbass 4 Fuß.

Rauschpfeife 2 2/3′ Fuß. 3-fach

*=Register original von Baumgarten

Disposition 1846 – Schreibweisen angeglichen

Manual I – Hauptwerk C – f“‘

Bordun 16′

Principal 8′

Viola di Gamba 8′

Hohlflöte 8′

Gedackt 8′

Octave 4′

Spitzflöte 4′

Quinte 2 2/3′

Octave 2′

Mixtur 4fach

Cornett 3fach

Manual II – Oberwerk C – f“‘

Gedackt 8′

Flauto traverso 8′

Salicional 8′

Principal 4′

Flauto amabile 4′

Pedal C – d‘

Subbass 16′

Violon 16′

Octavbass 8′

Cello 8′

Posaune 16′

 

Spielhilfen

Als Registerzüge links unten, innen:

Manual-koppel II/I., Pedal-koppel [I/P]

Als Registerzug rechts unten, innen:

Ein – Aus (Motorschaltung)

Gebäude oder Kirchengeschichte

15. Jahrhundert erste Erwähnung einer den Heiligen Peter und Paul geweihten Kirche.
Um 1570 Entstehung der Empore im Chorraum.
1629 Anbau der Sakristei.
1637 Zerstörung der spätgotischen Kirche im Dreißigjährigen Krieg.
Bis 1652 Wiederaufbau der Kirche.
1652 Fertigung des spätmanieristischen Altars.
06.12.1652 Einweihung der Kirche
1720 Beginn der barocken Umgestaltung zur Hofkirche unter Christiane Eberhardine – Kurfürstin zu Sachsen nach Plänen von Matthäus Daniel Pöppelmann (Dresden).
1727 Abschluss der Umgestaltung.
1896 Restaurierung des Innenraumes – dabei Umgestaltung des Gestühls und Einbau der Altarfenster, Beschaffung eines neuen Taufsteins.
1993 Abschluss der Kirchenrestaurierung.

Die für die heutigen Dimensionen des Ortes sehr große und prachtvolle ehemalige Hofkirche in Pretzsch zeigt sich als einschiffiger, weiträumig barocker Saalbau mit eingezogenem, teils noch spätgotischem Chor mit geradem Chorabschluss mit später eingesetzten Halbbogenfenstern. Zwei Anbauten an den Seiten des Altars – beide zweigeschossig – entstanden um 1570 bzw. 1629. Im nördlichen Anbau war dabei ab 1720 die Fürstenloge untergebracht. Der barocke Umbau (entworfen von Matthäus Daniel Pöppelmann) enthielt auch den Anbau eines neuen Turmes, dessen oktogonales oberes Geschoss mit floralem Zierwerk dekoriert ist. Darauf schließt sich bekrönend eine welsche Haube an. Dieses wurde erst nach dem Tod der Fürstin fertiggestellt und zeigt deswegen in der Wetterfahne eine Krone, das Monogramm der Fürstin sowie ihr Sterbejahr. Im Inneren zeigt sich der große Sakralbau zwar von heller Farbe, aber durch reiche Umbauung des Kirchplatzes recht dunkel. Der Chorraum wird von einem Kreuzgratgewölbe überspannt, während das 1720 quasi komplett neu gebaute Kirchenschiff eine flache Gipsdecke mit Malereien der Stammwappen der Fürstin sowie ein monumentales, von Putten umspieltes Monogramm der ineinander verschlungenen Buchstaben „CE“ zeigt. Bemerkenswert ist der spätmanieristische durch einen laufgangartigen Umgang gesäumte Altar, der 1652 von Johann Georg Kretzschmar geschaffen wurde. Er zeigt in einem Relief das letzte Abendmahl, flankiert auf Konsolen von Matthäus und Johannes neben zwei von Blattwerk umrankten korinthischen Säulen. Unter dem Giebel, welcher vom siegenden Christus bekrönt wird, findet sich ein figürliches Relief zu beiden Seiten umrahmt von den sitzend dargestellten Figuren des Petrus und des Paulus, eine Reminiszenz an die alte Kirche. In der Predella sind zwei grau marmorierte, von Rankenwerk umgebene Tafeln angebracht, welche die Stiftung des Altars durch Offiziere des Regiments von Arnim aufzeichnen. Die Namen der Stifter sowie deren Wappen sind auf der Rückseite angebracht. Der gesamte weiß gehaltene Altar ist durch golden abgesetztes Ranken- und Knorpelwerk reich umschlungen. Die beiden Buntglasfenster links und rechts des Retabels zeigen zwei fast ikonisch wirkende Darstellungen des Christushauptes. Die Kanzel an der Südseite des Chorraumes, wo sie erst seit 1720 steht, wurde ebenfalls 1652 durch Kretzschmar entworfen und aus Sandstein geschaffen. Der Korb trägt neben reichem Rankenwerk die Figuren der vier Evangelisten stellvertretend für die Auslegung der Schrift, sowie eine Figur des Christus. Gedrehte Säulen unterteilen die einzelnen Zierfelder. Der Schalldeckel ist mit Wolkenzier versehen und trägt im Inneren eine goldene Friedenstaube – er wird von zwei Engeln auf Händen getragen. Bekrönt wird der Schalldeckel durch eine Figur des Christus, der ein goldenes Band mit der Aufschrift „GLORIA IN EXCELSIS DEO“ trägt.
An der Südwand befindet sich ebenfalls vor einem Triumphbogen das reich verzierte Grabmal samt der Gruft der Kurfürstin – ein Ölgemälde des Auferstandenen hängt direkt daneben. Diverse weitere Grabmale der Familie von Arnim sind in der Kirche aufgestellt. Die Empore, zweigeschossig ausgeführt, umläuft in u-Form den Raum und wird im Westen durch den Orgelprospekt unterbrochen. Die einzelnen zierlosen Flachfelder werden durch tragende Säulen mit angedeuteten Kapitellen gegliedert. Der ganze Raum überrascht und beeindruckt mit seiner feinen, prachtvollen aber unaufdringlichen Ausstattung und lässt den Blick des Betrachters vom Irdischen auf das Himmlische schweifen, gelenkt durch den Altar und die Kanzel. Somit ist die Kirche ein beeindruckendes Beispiel für barocke Innenausstattung in Mitteldeutschland und eine würdige Grabeskirche für die einstmals mächtige, aber ungeliebte Frau Augusts des Starken, die hier gleichsam ihrem Gemahl zum Trotz, eine prunkvolle protestantische Predigtkirche erbauen und gestalten lies.

Anfahrt

Quellenangaben


Orgelbeitrag erstellt von:

Dateien Bilder Kirche und Orgel: Johannes Richter
Orgelgeschichte: Johannes Richter – ergänzt durch mündliche Informationen des örtlichen Organisten
Kirchengeschichte: Beitrag auf Wikipedia – ergänzt durch eigene Sichtung einiger Kunstgegenstände mit entsprechendem Beschrieb

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